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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Kinderaugen und die braunen Augen einer jungen Frau mit Pferdeschwanz musterten uns neugierig.
    »Guten Tag, Kinder, guten Tag, Frau Stengel«, grüßte Schulz.
    »Wir haben Sie schon sehnsüchtig erwartet«, erwiderte Fräulein Lehrerin mit sonorer Altstimme. Sympathisch, schade, dass ich heute als Depp herhalten musste.
    »Seid ihr die Brecher ?« , fragte ein kleiner Rothaariger vorlaut, worauf die Hälfte der Klasse in schallendes Gelächter ausbrach.
    »Es heißt Verbrecher«, verbesserte ihn ein blonder Zweikäsehoch.
    »Marvin ist manchmal sehr direkt«, entschuldigte Stengel ihn und sich.
    »Wohnt ihr im Gefängnis ?« , platzte ein kleines türkisches Mädchen vor Wissbegier.
    »Das werden euch Onkel Ali und Onkel Dieter selber erzählen«, glänzten Schulz’ Augen vor Vorfreude.
    »Au ja, endgeil«, jubelte die Meute.
    »Dieter und Ali sind keine Verbrecher, sie haben nur etwas Pech im Leben gehabt«, streichelte Stengelchens mitleidiger Blick unsere Häupter. Konzentrierte Erniedrigung. »Aber zunächst begrüßen wir unsere Gäste mit einem Lied. Singen Sie doch bitte mit .«
    Die Kiddies erhoben sich und schmetterten los. Wir bewegten die Lippen dazu. »Wenn die Frühlingssonne lacht und das Primelchen erwacht, ist die Winterzeit vorbei, juchhei, juchhei .«
    Als die Kinderchen sich wieder setzten, wurde Ali von Schulz vor die Tafel geschoben.
    »Herr Arslan, erzählen Sie den Kindern, wie Sie auf die schiefe Bahn geraten sind und warum Sie jetzt wieder auf den Pfad der Tugend zurückgefunden haben«, schwülzte er. Sozialarbeiter, muss ich mehr sagen?
    Verlegen trippelte der bullige Bruder auf die Showbühne.
    »Hallo Kinder, ich bin A-a-a-li«, stotterte er und nestelte nervös an seiner Kette.
    »Das wissen wir«, brüllte ein braunhaariges Mädchen. »Erzähl uns vom Gefängnis. Gibt’s da trockenes Brot ?«
    »Ich, ich, ich...«, sah Ali hilflos zum Sozialpädagogen rüber.
    »Beantworten Sie die Frage der Schülerin .« Ein Gladiatorenkampf gegen zwanzig bengalische Tiger erschien mir gegen diese Veranstaltung hier wie ein Frauenfrühstück im Kirchencafe.
    »Ich war nicht im Knast, Alter«, fasste sich Ali ein Herz.
    »Wie heißt du, junge Dame ?« , unterbrach Friedel den Türken.
    »Anabel«, antwortete sie selbstbewusst.
    »Anabel, Herr Arslan, nicht Alter«, wurde Ali gemaßregelt.
    »Okay, Anabel, ich weiß nicht, wie es im Knast ist. Hab die falschen Kollegen gehabt, hab Scheiße gebaut. Krass daneben. Schule, null Bock drauf gehabt. Hab ein paar echt heiße Schlitten geknackt. Aber die Bullen haben uns gepackt, totaler Dreck. Echt beknackte Situation, mach so was nie wieder. Will nicht in den Bau .«
    »Was für Kisten habt ihr denn abgegriffen ?« , interessierte sich ein Dreikäsehoch mit Tommi-Gottschalk-Lockenmähne.
    »Ein paar echt geile GTIs und sogar einen Porsche«, strahlte Ali vor Euphorie, und auch die Kinderaugen leuchteten. »Cool«, quietschte der Kleine.
    »Danke«, unterbrach Schulz schneidend die Karriereberatung. »Die Kinder konnten sich ein Bild von Ihrer gelungenen Resozialisierung machen. Herr Nannen, darf ich bitten !«
    Eine leidende Miene aufgesetzt und ab auf den Catwalk.
    »Ich bin Dieter«, seufzte ich, als hätte ich zweiunddreißig Jahre Christi Kreuz geschleppt. Gott sei Dank schien mir die Draculabrut den Simon von Kyrene abzunehmen. Gebannt hingen sie an meinen Lippen.
    »Ich war ein fröhliches kleines Kind wie ihr. Aber mein Papa war böse, er hat Alkohol getrunken und wusste nicht mehr, was er tat. Er hat meinen Hund erschlagen, das unschuldigste Wesen auf der Welt. Und ich wollte immer seine Liebe .« Bei einigen Mädchen flössen Tränen.
    »Um meinem Vater zu gefallen, hab ich dann selber einen Hund überfahren. Ich weiß jetzt, dass das sehr böse war, und ich werde es nie, nie wieder tun«, ließ der Gedanke an den Tod meines Großvaters bei mir einige Tränen kullern. Vielleicht sollte ich es als Schauspieler versuchen, für die Westfalenklinik reichte mein Talent alle Male.
    »Dieter ist ein armer Mann«, stellte ein Mädchen mit Nickelbrille fest. »Gut, dass mein Papa lieb ist.« Der Großteil der Kinder nickte traurig.
    »Ich danke euch«, wischte Schulz über seine Wange, als ob meine warmen Worte auch sein Herz erwärmt hätten. »Nehmt euch an Dieter ein Beispiel. Er hat seine Tat wirklich als solche akzeptiert und wird nie wieder vom rechten Pfad abweichen .«
    Die Kinder schauten nur verwirrt. Ich wusste bei Schulles vielen Pfaden auch

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