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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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Lektüre aufgefordert. Wer war dieser Mann? Wieso wollte er, dass ausgerechnet ich das Ding las? Sicher war nur eines für mich. Mit diesem Leser konnten wir kein Geld verdienen.
    Jojo beugte sich zu mir über den kleinen Tisch, hielt die Hand vor den Mund und flüsterte. »Der ist verrückt. Wir suchen uns ein anderes Abteil. Melden den Vorfall. Wir brauchen vorher nur noch ein paar Daten.«
    Ich sagte nichts, konnte meinen Kopf weder schütteln noch mit ihm nicken. Die Sache war total schräg.
    Jojo blieb gelassen. Er setzte sich aufrecht hin. Schob das Buch sachte auf die Seite. Sammelte die Geldscheine ein. Und machte weiter seinen Job. »Für manche ist so ein Wälzer viel wert. Wir respektieren natürlich Ihre Meinung. Ich bin übrigens Alex. Das ist Paul.« Jojo zeigte auf mich. »Wir arbeiten für die Scan AG. Wie ihnen sicher bekannt ist, wollen wir das Wissen für alle jederzeit und kostenlos verfügbar machen. Können wir Sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal fragen, Herr …?«
    Ich schämte mich für Jojos ärmlichen Versuch, den Namen des Buchmenschen zu erfahren.
    »Bergmann, Arne Bergmann«, sagte der Alte zu meiner Überraschung. Bevor Jojo nachhaken konnte, sprach er weiter. »Nomos wird das reichen. Da bin ich ganz sicher, Jojo. Was sagt Ihr Kollege Rob dazu?«
    Jojo arbeitete wie eine Mobril. Er speicherte das, was wir bei den Seminaren von Ultranetz lernten, irgendwo in seinem Schädel. Er konnte auf alles jederzeit zugreifen. Für jede Bemerkung paukten wir den dazu passenden Satz.
    Einmal wollte ein Leser mit uns diskutieren. »Ich weiß nicht, wieso Ultranetz jedes Buch braucht! Ihr habt diesen Buchtitel doch bestimmt schon tausendmal gekauft und gescannt.«
    Unsere Antwort folgte nach einer Sekunde. »Vielleicht haben wir aber nicht exakt diese Ausgabe und exakt diese Auflage. Womöglich haben Sie als Leser wertvolle Notizen an den Rand geschrieben. Dinge unterstrichen. All das kann für andere Menschen sehr nützlich sein. Ihre Anmerkungen werden somit der Nachwelt überliefert. Jedes Druckerzeugnis hat schließlich seinen eigenen Charakter.«
    Das schmeichelte dem Leser ungemein. Uns konnte keiner überraschen. Wir waren auf alles und jeden vorbereitet. Nur auf diesen Arne Bergmann nicht, der Nomos’ Namen kannte. Und unsere echten auch!
    Jojo suchte nach einer passenden Reaktion. Das dauerte. Nun schwiegen wir alle. Jojos Gehirn brauchte mehr Zeit als üblich, funktionierte aber nach wie vor vorbildlich. Ihm fiel der letzte Satz des zehn Punkte umfassenden Leitfadens für Buchagenten ein. Bei unüblichen Verhaltensmustern umgehend Teamleiter kontaktieren! Alle gesammelten Daten melden!
    Jojo stand auf, zu ruckartig, wie ich fand. »Ich bedanke mich bei Ihnen für das gute Gespräch, Herr Bergmann.«
    Jojo wollte mich mit sich ziehen und riss am Ärmel meiner Jacke. Ich blieb wie festgeklebt sitzen. Ich überlegte noch immer, wieso mich der Alte direkt angesprochen hatte und warum er mich noch immer anschaute. Jojo verschwand im benachbarten Abteil.
    »Tut mir leid. Wir müssen das Gespräch an einem anderen Ort fortsetzen. Ich muss jetzt gehen«, sagte Bergmann zu mir.
    Mir schossen tausend Fragen durch den Kopf. »Die nächste Station liegt in der C-Zone. Da würde ich an Ihrer Stelle nicht aussteigen«, sagte ich dann nur.
    Der alte Mann lächelte, ließ das Buch unter seinem Pullover verschwinden. Vor der Tür drehte er sich noch einmal um. »Bis bald!«
    Er sprach in Rätseln. Bevor ich etwas fragen konnte, redete er weiter. »Du bist bleich. Verträgst diese Metro-Gleiterei nicht.«
    Er strich mit seiner Hand über meine Glatze, zog sich die Kapuze seines Pullis über und verschwand im schmalen Korridor.
    »Nächster Halt: C-Zone, 3. Quartier, eine Minute Aufenthalt«, sagte eine sanfte Männerstimme. Der Metro-Gleiter raste in eine steile Kurve. Bremste keinen Atemzug später von viel zu schnell auf Nichts.
    Ich eilte den Gang entlang zur Toilette. Ich sah Jojo im benachbarten Abteil. Er hatte die Mobril auf und setzte sich vermutlich gerade mit Nomos in Verbindung. Jojo sah über die Brillengläser zu mir, zeigte mit dem Daumen nach oben und grinste. Ich deutete auf meinen Bauch und rannte weiter.
    Der Gleiter war bereits in der B-Zone, als ich den Spülknopf drückte. Ich zitterte am ganzen Körper und drehte mich zum Waschbecken um. Das kalte Wasser floss über die Hände. Über mein Gesicht. Die Stirn. Den kahlen Schädel. Bis zum Nacken. Ich richtete mich auf, stieß

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