Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Seeberg
Vom Netzwerk:
überlege ich allerdings, ob ich damit wirklich richtiglag. Ich meine, wie konnte ich mir da so sicher sein? Während des Gespräches mit Herrn Iwanow hatte ich aber so gut wie keine Zweifel. Ich konnte mir Herrn Iwanow einfach nicht im organisierten Verbrechen vorstellen. Ehrlich gesagt konnte ich ihn mir in gar nichts vorstellen, das in irgendeiner Form halbwegs organisiert war.
    Also blieb ich gelassen und erklärte ihm, dass dies für mich keine Gesprächsgrundlage darstelle und ich jetzt in seinem Sinne einfach mal davon ausgehen würde, dass er gerade emotional so belastet sei, dass er das Gesagte nicht ernst gemeint habe. Ich würde daher den Termin nun beenden und gerne telefonisch einen neuen Termin für ein Abschlussgespräch vereinbaren, um ihm meine Empfehlung an das Gericht verständlich zu machen.
    »Ich werde holen Mafia, und du kaputt! Kaputt!! Wie Auto kaputt du sein wirst, wenn Boris nicht hier!«
    Okay, ich hätte mir ein wenig mehr Kooperationsbereitschaft gewünscht, aber wenn ich mir vor Augen führte, dass Herr Iwanow nicht im Geringsten damit gerechnet hatte, dass ich empfehlen könnte, Boris solle bei seiner Pflegefamilie bleiben, hatte ich auch ein gewisses Verständnis für ihn. Nicht gerade für die Intensität seiner Drohung, aber doch für seine Enttäuschung und Verzweiflung.
     
    Als ich einige Tage später erneut bei Herrn Iwanow und Frau Michalkow war, erschienen beide recht aufgeräumt. Frau Michalkow sah mich zwar hin und wieder vorwurfsvoll an und sprach wenig, nickte aber zustimmend, als die Dolmetscherin ihr übersetzte, was ihr Lebensgefährte sagte. Inzwischen war er zum »Du« übergegangen. Wenn man jemandem mal mit der Mafia gedroht hatte, dann hatte sich dadurch wohl eine gewisse Nähe eingestellt.
    »Du ehrlich gewesen. Nix rumgelogen und gesagt, Kind kommt schon zurück. Wie Scheißjugendamt hat gelogen immer uns. Du nix gemacht so was. Du ehrlich.« Er machte eine kurze Pause und fügte hinzu. »Und du mutig. Nix Angst gekriegt vor Mafia.« Er grinste verlegen. »Wir Respekt.«
     
    Die Eltern stimmten zu, dass Boris bei seiner Pflegefamilie bleiben könne. Zwar war ich insgesamt nicht so wirklich zufrieden mit der Situation der Familie, denn auf eine Hilfe zur Erziehung konnten und wollten sich Herr Iwanow und Frau Michalkow nicht einlassen. Sie würden ihr Verhalten Boris und den beiden anderen Kindern gegenüber wohl nicht ändern.
    Im Gerichtstermin wurde auf mein Drängen eine Erziehungsbeistandschaft für Dimitri und Iwan eingerichtet. Ein Sozialpädagoge würde sich je nach Bedarf ein- bis dreimal pro Woche mit ihnen befassen und als Ansprechpartner für sie da sein, wenn sie Probleme oder Sorgen hatten.
    Er würde auch hin und wieder bei den Besuchskontakten anwesend sein, um zu schauen, dass Boris durch die Besuche nicht belastet würde.
    Frau Michalkow und ihr Lebensgefährte stimmten dem nur unter der Voraussetzung zu, dass der Sozialpädagoge sie »in Ruhe lassen würde mit Gerede«. Das war zwar ein fauler Kompromiss, aber besser als die bisherige Situation.

Verwandtschaftsangelegenheiten
    Sieben Erwachsene und in etwa acht Kinder befanden sich im Wohnzimmer der Familie Kramer – aber so genau konnte ich das nicht sagen, es herrschte einfach zu viel Gewusel.
    »Ficker!«, krähte ein etwa dreijähriger Junge. Zwei Mädchen im Grundschulalter kicherten, ein weiterer Dreijähriger kam ins Zimmer gerannt und schlug dem anderen kleinen Jungen eine Ninja-Figur auf den Kopf. Die beiden Kleinkinder begannen sich unter lautem »Ficker!«- und »Ey, Wichser!«-Gebrüll zu prügeln, und ich glaube, so manch ein Sechsjähriger hätte da nach kurzer Zeit keine Chance mehr gehabt.
    Niemand der Erwachsenen nahm Notiz von den beiden Jungen.
    Rums. Der volle Aschenbecher fiel zu Boden und zerschlug auf dem Weg eine Bierflasche.
    Zwei Männer standen wortlos auf. Der eine packte die Kinder und trug sie in das Nebenzimmer, wie man Koffer in einen Abstellraum bugsiert, der andere holte eine neue Bierflasche. Im Nebenzimmer wurde der Fernseher eingeschaltet und etwas zu teuren Bierflaschen, die man nicht umzuwerfen hatte, gesagt. Der Mann kam zurück, setzte sich und zündete sich eine Zigarette an.
     
    »Nun setzen Sie sich doch mal hin!« Eine Frau mit dreifarbigen Haaren, knallrotem Lippenstift und ebensolchen Fingernägeln klopfte neben sich auf das Sofa. Es staubte.
    »Ich würde gern mit Herrn und Frau Kramer alleine sprechen.« Mit diesem Satz sorgte ich für große

Weitere Kostenlose Bücher