Die Schale der Winde
drei Weisen Frauen vorbei. Die kleinen, blaßgesichtigen Eheleute waren in den Ländern der Baummörder Adlige gewesen. Beide neigten demütiger die Köpfe, als jede Aiel in Weiß es jemals vermocht hätte. In ihren dunklen Augen lag Anspannung - mehr aus Angst vor einem harten Wort als vor der Gerte. Feuchtländer konnten wie Pferde gezähmt werden.
»Die Frau ist bereits gezähmt«, grollte Therava. »Ich habe ihr in die Augen gesehen. Sie ist ein in der Hand flatternder Vogel, der Angst vor dem Fliegen hat.«
»In neun Tagen?« fragte Rhiale ungläubig, und Sevanna schüttelte heftig den Kopf.
»Sie ist eine Aes Sedai, Therava. Ihr habt ihr Gesicht vor Zorn weiß werden sehen, als ich sie anklagte. Ihr habt sie lachen gehört, als sie von der Tötung Weiser Frauen sprach.« Sie stieß einen zornigen Laut aus.
»Und Ihr habt gehört, wie sie uns bedrohte. Es wird lange dauern, sie zu brechen, aber diese Aes Sedai wird darum betteln, gehorchen zu dürfen, und wenn es ein Jahr dauert.« Wenn sie das erst tat... Aes Sedai konnten natürlich nicht lügen. Sie hatte erwartet, daß Galina gegen ihre Anklage angehen würde. Wenn sie erst zu gehorchen geschworen hätte...
»Wenn Ihr erreichen wollt, daß Euch eine Aes Sedai gehorcht«, sagte die Stimme eines Mannes hinter ihr, »könnte dies vielleicht helfen.«
Sevanna fuhr ungläubig herum und sah Caddar und hinter ihm die Frau - Maisia, die Aes Sedai -, beide in dunkle Seide und edle Spitze gekleidet wie schon vor sechs Tagen, jeder mit einem unpassenderweise an einem Riemen von einer Schulter herabhängenden, ausgebeulten Sack. Caddar streckte mit einer dunklen Hand eine glatte, über einen Fuß lange Rute aus.
»Wie seid Ihr hierhergekommen?« fragte Sevanna und preßte dann verärgert die Lippen zusammen. Er war offensichtlich so gekommen wie schon zuvor. Sie war nur überrascht, daß er mitten im Lager auftauchte. Sie riß ihm die weiße Rute aus der Hand, und wie immer trat er außer Reichweite ihres Armes. »Warum seid Ihr gekommen?« fragte sie. »Was ist dies?« Die Rute war ein wenig schmaler als ihr Handgelenk und bis auf wenige, an einem Ende eingekerbte, seltsam fließende Symbole glatt. Sie fühlte sich nicht ganz wie Elfenbein und nicht ganz wie Glas an. Sie fühlte sich sehr kühl an.
»Man könnte sie eine Eidesrute nennen«, antwortete Caddar und setzte eine Miene auf, die einem Lächeln ähnlich war. »Ich habe sie erst gestern bekommen, und ich dachte augenblicklich an Euch.«
Sevanna verschränkte ihre Hände fest um die Rute, um sich daran zu hindern, sie von sich zu schleudern.
Jedermann wußte, was die Eidesrute der Aes Sedai bewirkte. Um nicht darüber nachdenken und noch viel weniger darüber sprechen zu müssen, steckte sie die Rute hinter ihren Gürtel und nahm die Hände fort.
Rhiale betrachtete die Rute an Sevannas Taille stirnrunzelnd und hob dann langsam den Blick zu Sevannas Gesicht. Therava richtete mit klingenden Armbändern ihre Stola und lächelte verbissen. Niemand von ihnen würde die Gelegenheit erhalten, die Rute zu berühren, und vielleicht würde nicht einmal eine der Weisen Frauen diese Gelegenheit bekommen. Aber da war noch immer Galina Casban. Sie würde eines Tages zerbrechen.
Maisia mit den rabenähnlichen Augen, die ein paar Schritte hinter Caddar stand, lächelte fast ebenso verbissen wie Therava. Sie hatte gesehen und verstanden. Sie war für eine Feuchtländerin aufmerksam.
»Kommt mit«, wies Sevanna Caddar an. »Wir werden in meinem Zelt Tee trinken.« Sie würde gewiß kein Wasser mit ihm teilen. Sie raffte ihre Röcke und stieg den Hang hinauf.
Auch Caddar war zu ihrer Überraschung aufmerksam. »Ihr müßt nur Eure Aes Sedai« - er schritt auf seinen langen Beinen leicht neben ihr aus und grinste Rhiale und Therava plötzlich an -»oder eine andere Frau, welche die Macht lenken kann, die Rute halten und die Versprechen äußern lassen, die Ihr hören wollt, während jemand derweil ein wenig Geist webt. Ihr könnt sie auch benutzen, um sie zu befreien, aber das ist schmerzhafter. Zumindest habe ich es so verstanden.«
Sevanna berührte die Rute leicht. Eher Glas als Elfenbein und sehr kühl. »Sie wirkt nur bei Frauen?« Sie betrat vor ihm gebückt das Zelt. Die Weisen Frauen und die Anführer der Kriegergemeinschaften waren gegangen, aber das Dutzend Baummörder-Gai'shain war geblieben und kniete geduldig auf einer Seite des Zeltes. Niemand hatte jemals zuvor ein Dutzend Gaischain beschäftigt, und
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