Die scharlachrote Spionin
Sofia starrte auf ihre Schuhspitzen und murmelte eine verlegene Antwort. »Ich ... ich weiß nicht genau. Da musst du Lord Kirtland oder Mr. Orlov fragen.«
»Allerdings, wenn ich meinen Freund Julian das nächste Mal sehe, habe ich jede Menge mit ihm zu besprechen!«, erwiderte er. »Aber jetzt, in diesem Moment, gilt meine dringlichste Frage dir, Sofia.«
Die Uhr im Kasten in der Ecke tickte und tickte. Nicht mehr lange, und Lynsley würde klopfen. Wenn er es jetzt zuließ, dass Sofia ihm entwischte, musste er damit rechnen, dass dieser Augenblick für immer verloren war.
Jetzt oder nie.
»Willst du mich heiraten, Sofia? Die Etikette verlangt, dass ich eine blumige Ansprache halte und meinen Antrag mit einem kostbaren Schmuckstück bekräftige.« Er umrahmte ihre Wangen mit seinen geschundenen Händen und hob ihren Kopf leicht an. »Aber in dieser Minute kann ich dir nichts anderes schenken als mich und mein Herz.«
Ihre Lider flatterten, und eine schimmernde Träne lief ihre Wange hinunter. »Du«, hauchte sie, »bist ein Geschenk, wie es kostbarer nicht sein kann.«
»Ich liebe dich«, murmelte er, »oder sollte ich lieber sagen: Ti amo?«
Ihre Lippen berührten seinen Mundwinkel. »Die Liebe spricht ihre eigene Sprache.«
»Soll das heißen ...«
»... dass ich dich auch liebe?« Sofias Zärtlichkeit strich federleicht über seine Haut. »Ich hatte viele Geheimnisse, Deverill, aber dieses war am schwersten zu hüten. Ich glaube, ich habe dich geliebt, seit das erste Mal ein Sonnenstrahl in das dämmrige Licht des Salons gedrungen ist.«
»Du hattest manchmal eine seltsame Art, es mir zu beweisen.«
»Ich werde mich ganz bestimmt niemals wie eine echte Lady benehmen.« Sie zog sich einen Hauch zurück. »Wirst du damit zurechtkommen?«
»Lass mich einen Moment darüber nachdenken.« Osborne zog sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Ich glaube, ja.«
Er verlor das Zeitgefühl, wusste nur noch, dass der Kuss viel zu schnell endete. »Warum diese Eile?«, murmelte er und versuchte, sie festzuhalten, als sie aus seiner Umarmung schlüpfen wollte. »Lynsley kann sich gern noch ein paar Minuten gedulden.«
»Ich muss mit einem Tadel wegen Pflichtvernachlässigung rechnen.« Sofia lächelte zwar, aber der Schatten des Zweifels in ihrem Blick blieb ihm nicht unbemerkt. »Aber bevor er zurückkehrt ... Bist du dir wirklich sicher, dass du heiraten willst? Ich kann dir nicht versprechen, eine gewöhnliche Ehefrau zu sein. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich all die Lektionen vergessen kann, die mir auf der Akademie erteilt worden sind.« Ihre Lippen zuckten. »Unterwürfigkeit und Gehorsam zum Beispiel gehören nicht dazu.«
»Wenn ich ein Geschöpf an meiner Seite haben wollte, das jeden Befehl befolgt, hätte ich mir einen Hund angeschafft.«
»Ich mag Tiere sehr gern«, murmelte sie. »Dürfte es auch eine Katze sein?«
»Du kannst dir eine ganze Menagerie zulegen - Hunde, Katzen, Falken, Einhörner. So lange ich zu den Geschöpfen gehöre, die dir am Herzen liegen.«
»Du bist das einzige Geschöpf, das mir wirklich wichtig ist, Deverill. Jetzt und für immer.«
»Amen«, murmelte er. »Darf ich das als Ja nehmen?«
»Ja.« Sofia zögerte den Bruchteil einer Sekunde. »Aber ...«
Er stöhnte. »Kein Aber, bitte.«
»Aber es ist ziemlich wichtig!«, beharrte Sofia. »Kannst du dir vorstellen, was los ist, wenn das Gerücht die Runde macht, wer ich wirklich bin? Die Gesellschaft wäre zutiefst entsetzt, dass du dich für eine solch erschütternde Partie einlässt. Eine Geheimagentin der Regierung, noch dazu in allerlei Fähigkeiten ausgebildet, die gar nicht denen einer Lady entsprechen - nein, das ist alles andere als die angemessene Ehefrau eines Lords, der zu den beliebtesten in ganz London gehört. Nein, natürlich wird niemand die volle Wahrheit erfahren. Aber ich möchte auch nicht, dass du zur Zielscheibe boshafter Spöttereien wirst.«
»Meine Liebe, wenn es uns gelingt, ein Nest gefährlicher Verbrecher auszuheben, werden wir sicher auch mit der Salongesellschaft fertig werden. Vertrau mir. Außerdem vergisst du, dass du in den Augen der Menschen bereits die Contessa bist. Und wenn sich jetzt herausstellt, dass sich in dir auch die lang verlorene Großtochter des Herzogs von Sterling verbirgt, dann wird man die Geschichte als Erfüllung eines romantischen Traumes begrüßen.« Er grinste verschmitzt. »Ich kann mir gut vorstellen, wie die Geschichte anfängt ... Es war
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