Die Schattenfrau
jeder.«
»Ich bin nicht jeder.« Wellman sah aus, als würde er gleich anfangen zu weinen.
»Ich fahre mit dir in die Stadt zurück«, sagte Birgersson und folgte Winter zum Auto. Wellman war schon längst wieder fort.
Auf dem Weg durch den Wald sah Winter ständig das Abbild in Malkreide vor sich, so ähnlich waren die Zeichnungen.
»Du weißt, dass wir den Burschen nicht werden festhalten können, wenn wir nicht langsam was Neues herausfinden«, begann Birgersson. Winter hielt sich ganz rechts auf dem Kies, als ihnen ein Streifenwagen auf dem Weg nach Ödegärd entgegenkam.
»Zur Ermittlungsarbeit gehört nun mal auch, Verdächtige zu eliminieren«, erklärte Winter. »Das habe ich von dir gelernt, Sture.«
»Versuchst du, dich seelisch auf einen Misserfolg einzustellen?«
»Darauf läuft es doch in vielen Fällen hinaus«, meinte Winter. »Du bist dabei, eine hübsche Indizienkette zu knüpfen, aber sie ist noch recht brüchig«, überlegte Birgersson laut. »Das hast du schön gesagt«, erwiderte Winter. »Lass mal gut sein, Erik.«
Winter fuhr auf die Schnellstraße, und Birgersson kurbelte sein Fenster hoch, als er beschleunigte. Die Autos auf der Straße waren nur dank des Abblendlichts zu sehen. Der Nebel wurde zur Stadt hin dichter. Winter wurde vom Flughafenbus überholt, der sich wohl bemühte, auch endlich mal zu fliegen.
»Den Fahrer sollte man verhaften, der glaubt wohl an Reinkarnation«, schimpfte Birgersson. »Eigentlich müssten wir den Teufel sofort stoppen.«
»Ich habe gestern Bolander verhört«, unterbrach Winter seine Tirade. »Das ist der von den Hell's Angels, der für die Schießerei in His... «
»Ich weiß, wer das ist. Ich bin praktisch dein Chef.«
»Er schweigt natürlich, aber es gibt noch immer eine Verbind ung zu dem Fall hier. Ich habe versucht, mich auf diesen Punkt zu konzentrieren.«
»Welchen Punkt?«, fragte Birgersson.
»Na, diese Organisationen. Ich rede im Plural, weil es mehrere sind.«
»Ja?«
»Das ist... alles. Wir kommen nicht weiter. Ich geb dir das noch schriftlich, dann hast du was zum Archivieren, Sture. Man kann einen möglichen Zusammenhang erkennen, aber das ist auch schon alles. Wir haben alle Dateien aufgerufen, vor und zurück, und uns in der Zeit zurückgetastet... ja, du weißt ja über Brigitta Dellmar Bescheid und über Dänemark. Die Drohung gegen mich. Falls es eine Drohung war.«
»Hier hast du so was nicht bemerkt?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Winter zuckte mit den Achseln. »Können wir herausbekommen, was mit Jakobsson passiert ist. Jetzt haben wir noch eine vermisste Person mehr in diesem Fall.«
Birgersson schien tiefer in seinen Sitz zu sinken. Sie näherten sich Delsjömotet. Birgersson blickte nervös in Richtung See und Parkplatz. »Die Presse verliert allmählich das Interesse an der Geschichte«, sagte er. »Ich hab kein gutes Gefühl dabei. Wenn es um die Presse geht, hat man das nie. Am Anfang einer Ermittlung sitzen sie einem im Nacken, und wenn wir zur Fleißarbeit übergehen, interessieren die sich für alles andere. Als glaubten die, dass man den Fall so nie löst.«
»Wir werden ihn lösen«, schwor Winter. »Und die Medien haben sich ja auch zwischendurch wieder eingeschaltet. Bei Bremers Verhaftung.«
»Ich nehme dich beim Wort, Erik.«
Winter klingelte wieder bei Bremers Schwester. Diesmal unangemeldet. Die Straßenbahn rauschte hinter ihm durch die Pfützen. Der Herbst regnete sich in den November hinein. Winter spürte die Nässe auf der Stirn und an den Händen.
Er klingelte noch einmal. Aus der Wohnung kam keine Reaktion. Beim dritten Klingeln polterte irgendetwas hinter der Tür. Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht, die Tür vorsichtig geöffnet, und Winter sah ihr Gesicht. Sie musterte ihn ein paar Sekunden.
»Sie schon wieder?«
»Ich will nur noch ein paar Fragen stellen«, erklärte Winter.
Die Frau seufzte laut vernehmbar. Noch hatte sie sich nicht weiter gerührt in ihrem Rollstuhl.
»Ich habe geschlafen«, sagte sie. »Ich sitze meistens hier im Stuhl und schlafe, wenn meine Hilfe unterwegs ist und andere wertlose Greise pflegt.«
»Darf ich reinkommen?«
»Nein.« Sie rührte sich nicht. »Wenn es nur ein paar Fragen sind, dann können Sie sie auch so stellen.«
»Es sind ein paar Fragen Ihren Bruder betreffend... Zu seiner Vergangenheit.«
»Das habe ich alles vergessen. Es hat keinen Sinn zu fragen. Ich habe geschlafen.«
»Ich kann später zurückkommen.«
»Das ist
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