Die Schattenplage
nicht zu erröten, während sie den Umschlag wegsteckte.
»Liebe Kendra«, improvisierte Seth, »du bist das einzige Mädchen, das mich wirklich versteht, weißt du, und ich denke, du bist sehr reif für dein Alter …«
»Wie wäre es mit etwas Kuchen?«, unterbrach Oma ihn, hielt Kendra das erste Stück hin und funkelte Seth an.
Kendra nahm den Kuchen entgegen und setzte sich an den Tisch, dankbar für die Gelegenheit, sich zu fassen. Sie stellte fest, dass der Kuchen von Wichteln gebacken worden war. Als sie ein Stück davon abschnitt, fand sie sahnige Schichten Vanillefüllung, feuchte Stellen mit Schokoladenmousse, klebrige Karamelltaschen und ab und an einen Klumpen Himbeermarmelade. Irgendwie harmonierten die Geschmäcke immer. Sie konnte sich an keinen köstlicheren Geburtstagskuchen erinnern.
Anschließend begleitete Kendra Opa zum Dachboden hinauf. Sie stellte fest, dass ihre Taschen schon gepackt und bereit waren.
»Eure Eltern erwarten, dass Dougan euch heute Abend nach Hause bringt«, sagte er. »Sie werden sich freuen, euch zu sehen. Ich denke, sie standen kurz davor, die Polizei zu verständigen.«
»Okay.«
»Hat Patton Lebewohl gesagt?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Kendra. »Er hat mir etwas Wichtiges über das Tagebuch der Geheimnisse erzählt.«
»Er hat gesagt, dass ich es dir anvertrauen soll. Du wirst das Tagebuch in deiner Tasche finden, zusammen mit einigen anderen Geburtstagsgeschenken. Kendra, wir werden die Entdeckung des Chronometers für den Moment geheim halten, selbst vor Dougan, bis wir uns sicherer sind, wem wir trauen können.«
»Die Idee gefällt mir«, sagte Kendra. Sie schaute Opa in die Augen. »Ich fürchte mich davor, nach Hause zu fahren.«
»Nach allem, was geschehen ist, würde ich meinen, dass du größere Angst haben müsstest, hier zu bleiben.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich will, dass die Ritter der Morgendämmerung auf mich Acht geben. Sie könnten alle für unsere Feinde arbeiten!«
»Nur Warren, Coulter oder Tanu werden deine Wächter sein. Ich werde nur den vertrauenswürdigsten Augen gestatten, über dich zu wachen.«
»Ich schätze, jetzt geht es mir schon besser.«
Seth kam in den Raum geplatzt, gefolgt von Dale. »Dougan sagt, er ist fertig. Warren kommt mit uns. Bist du so weit, Kendra?«
Sie fühlte sich noch nicht bereit. Nach einem großen Verlust, nach einem schwierigen Sieg, nach furchtbaren Erlebnissen wünschte sie, sie hätte ein wenig Zeit gehabt für einen Winterschlaf. Nicht nur zwei Tage. Zwei Jahre. Zeit, um sich zu sammeln. Warum musste das Leben immer so gnadenlos weitergehen? Warum folgten jedem Sieg und jeder Niederlage neue Sorgen und neue Probleme? Es würde auch so schon schwer genug werden, sich in der Highschool einzugewöhnen, geschweige denn, sich darum zu sorgen, welche neuen Ränke der Sphinx aushecken mochte und welche Rolle Navarog, der Dämonenprinz, dabei spielen würde.
Trotz ihrer Unsicherheiten nickte Kendra. Opa und Dale nahmen ihr Gepäck, und sie folgte ihnen die Dachbodentreppe hinunter. Im Flur bedeutete Coulter ihr, in sein Zimmer zu kommen, und schloss die Tür hinter ihr.
»Was gibt es?«, fragte Kendra.
Er hielt den Stab mit den Rasseln hoch, den sie aus der Verlorenen Mesa mitgebracht hatte. »Kendra, hast du irgendeine Vorstellung davon, wozu dieser Stab fähig ist?«
»Auf der Bemalten Mesa schien er das Unwetter schlimmer zu machen.«
Coulter nickte nachdenklich. »Magische Artefakte sind meine Spezialität, aber in all meinen Jahren habe ich noch keines gesehen, das es mit der Macht dieses Stabes hätte aufnehmen können. Ich habe gestern damit experimentiert. Nachdem ich ihn draußen weniger als fünfzehn Minuten lang geschüttelt hatte, zogen sich dicke Wolken an einem zuvor wolkenlosen Himmel zusammen. Je heftiger ich die Rasseln schüttelte, umso dichter wurden sie.«
»Wow.«
»Du hast von der Verlorenen Mesa einen waschechten, funktionierenden Regenstab mitgebracht.«
Kendra lächelte. »Gavin hat ihn mein Souvenir genannt.«
»Gavin muss eine sehr großzügige Person sein. Ein Gegenstand von dieser Macht ist absolut unbezahlbar. Pass gut auf ihn auf.«
»Das werde ich«, sagte Kendra und nahm den Stab entgegen. »Oder soll ich ihn lieber hierlassen?«
»Er ist deiner; behalte ihn bei dir. Wer weiß, wann du ihn gebrauchen kannst? Es brauen sich jede Menge Schwierigkeiten über uns zusammen.«
»Danke, Coulter. Wir sehen uns bald.«
»Verlass dich drauf. Ich werde in
Weitere Kostenlose Bücher