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Die Schatzinsel (Original)

Die Schatzinsel (Original)

Titel: Die Schatzinsel (Original) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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segeln soll, das weiß ich nicht. Wenn ich dir nicht einen Wink gebe oder zwei, so bist du nicht der Mann, soweit ich sehen kann. Na, nun höre mal zu: Du gibst mir Essen und Trinken und einen alten Lappen oder ein Taschentuch, um meine Wunde zu verbinden; und ich will dir dafür sagen, wie du steuern sollst; und so ist es wohl recht und billig, denk ich.«
    »Ich will Ihnen bloß eins sagen,« sagte ich: »ichhabe nicht die Absicht, nach Käpp'n Flints Ankergrund zurückzusegeln. Ich gedenke nach der nördlichen Bucht zu segeln und den Schoner da ruhig auf den Strand laufen zu lassen.«
    »Kann ich mir denken!« rief er. »Nu, ich bin doch kein gottverdammter Schafskopf, habe doch Augen im Kopf zu sehen, nicht wahr? Habe versucht, mir 'nen Jux zu machen, und 's ist schief gegangen, und du hast mir den Wind abgelaufen. Nordbucht? Na, ich habe ja keine Wahl! Ich würde dir helfen, nach Execution Dock in London zu segeln – zum Donner, das tätlich!«
    Nun, was er sagte, schien mir ganz vernünftig zu sein. Wir machten also sofort unseren Handel ab. Binnen drei Minuten segelte die Hispaniola leicht vor dem Winde längs der Küste der Schatzinsel, und wir hatten gute Hoffnung, noch vor Mittag um die Nordspitze herumzukommen und vor der hohen Flut an der Nordbucht zu sein; da konnten wir den Schoner sicher auf den Strand laufen lassen und dann warten, bis das Wasser so weit abgelaufen war, daß ich an Land gehen konnte.
    Ich band das Steuerruder fest und ging unter Deck zu meiner Kiste, aus der ich ein weißes seidenes Halstuch herausnahm, das meine Mutter mir gegeben hatte. Hiermit verband unter meinem Beistande Israel den tiefen klaffenden Messerstich, den er von dem Irländer in den Oberschenkel bekommen hatte; und nachdem er ein bißchen gegessen und noch ein paar Schluck Branntwein getrunken hatte, begann er sich sichtlich zu erholen: er saß strafferaufgerichtet, sprach lauter und deutlicher und war in jeder Beziehung ein anderer Mensch.
    Die Brise kam uns vortrefflich zustatten. Wir flogen wie ein Vogel vor ihr her; die Küste der Insel flitzte an uns vorbei und zeigte jede Minute ein neues Bild. Bald waren wir an den Bergen vorüber und fuhren an einem niedrigen, sandigen Landstrich herunter, der spärlich mit verkrüppelten Fichten bestanden war, und bald waren wir auch darüber wieder hinaus und um das felsige Vorgebirge herum, das die Nordspitze der Insel bildet.
    Ich fühlte mich sehr stolz in meiner neuen Kapitänswürde und sehr behaglich in dem hellen, sonnigen Wetter und freute mich über die wechselnden Landschaften der Küste. Ich hatte jetzt Überfluß an Wasser und guten Lebensmitteln, und mein Gewissen, das mich wegen meines Weglaufens gepeinigt hatte, war jetzt beruhigt, da ich eine so große Eroberung gemacht hatte. Es wäre mir nichts zu wünschen übriggeblieben, wenn nicht der Schaluppmeister mich fortwährend mit höhnischen Blicken angesehen hätte und mit einem eigentümlichen Lächeln, das alle Augenblicke auf seinem Gesicht erschien. Es war ein Lächeln, worin etwas von Schmerz und Schwäche lag – ein grimmiges Lächeln eines alten Mannes; außerdem aber lag eine Beimischung von Hohn und von Hinterlist in dem Ausdruck, womit er mich an meiner Arbeit beobachtete und immerzu beobachtete.

     

26. Israel Hands

    Der Wind schlug jetzt nach Westen um – gerade, wie wir ihn brauchen konnten. Auf diese Weise kamen wir viel bequemer von der nordöstlichen Spitze der Insel nach der Mündung der Nordbucht. Nur hatten wir keine Leute, um den Anker auszuwerfen, und da wir den Schoner nicht auf den Strand setzen durften, bis die Flut bedeutend höher gestiegen war, so hatten wir überflüssige Zeit. Der Schaluppmeister sagte mir, wie ich den Schoner beilegen sollte, was mir endlich nach manchem vergeblichen Versuch gelang. Hierauf besorgte ich wieder etwas zu essen, und wir saßen lange Zeit da und sagten kein Wort.
    »Käpp'n,« sagte Israel schließlich mit seinem unangenehmen Lächeln, »da ist mein alter Schiffsmaat, O'Brien. Wie wäre es, wenn Sie ihn über Bord schmissen? Ich bin sonst nicht so heikel und mache mir auch nichts daraus, daß ich ihm den Rest gegeben habe; aber mir dünkt, er ist nicht gerade ornamental – oder was meinen Sie?«
    »Ich bin nicht stark genug, und es paßt mir nicht, ihn anzurühren; meinetwegen bleibt er liegen, wo er ist.«
    »Das ist ein unglückliches Schiff, diese Hispaniola,« fuhr Israel fort und zwinkerte dabei mit den Augen. »Da sind eine Masse Leute

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