Die Scheune (German Edition)
herrschte eine Grabesstille. Ich biss die Zähne so fest zusammen, dass es knirschte. Ich musste mich konzentrieren. Wenn hier etwas Gefährliches im Gange war, musste ich auf alles gefasst sein und mir nicht wie ein ängstlicher Knabe in die Hose machen. Unsicher rief ich immer wieder nach Dane. Ich war mir nun sicher, dass Joan diesen Anruf gemacht haben musste. Doch woher hatte sie meine Nummer? Hatte Dane sie ihr gegeben? Für den Notfall? Einen solchen wie jetzt? Hatte Dane damit gerechnet?
Rechts sah ich eine offene Türe. Die Silhouetten von alten Holzkisten, Brettern und den üblichen Resten einer verlassenen Mietwohnung fielen mir ins Auge. Ein säuerlicher Geruch schlug mir auf den Magen. Ich sah einen Schatten hinter einem alten Holztisch, maß ihm allerdings keinerlei Bedeutung bei. Leise rief ich wieder seinen Namen. Keine Antwort. Zu spät? Mir wurde flau im Magen, und ich schnappte nach Luft.
„Dane?“ Nichts.
Ich trat zögernd näher, um mich blickend und unsicher. Dann formte sich der Schatten hinter dem Tisch zu einem menschlichen Wesen, und ich musste entsetzt feststellen, dass dieses zusammengekauerte Etwas mein bester Freund war!
*
Johnathan konnte seit meinem Anruf nicht mehr einschlafen. Die Feier dröhnte noch in seinen Ohren nach. Die Unruhe über das dürftige Gespräch mit mir hielt ihn die ganze Nacht wach. Diese Situation war völlig neu für ihn. Er glaubte immer zu wissen, wo sich Dane aufhielt. Hätte Johnathan nur einmal oder zweimal, aus welchen Gründen auch immer, versucht ihn auswärts zu erreichen, wäre er schon viel früher dahinter gekommen, dass Dane alles andere als ein glaubwürdiger Mensch war. Doch da dem nicht so war und die Nachricht auf seiner Nachtkonsole erstmals für ihn eine Lüge enthielt, war Johnathan niedergeschlagen und stark beunruhigt. Dane ging nie angetrunken aus dem Haus. Etwas Außergewöhnliches musste passiert sein. Woher wusste Jim Bescheid? Was hatte er damit zu tun? Seine Gedanken begannen zu puzzeln.
Ein stechender Schmerz durchzuckte die hintere Hälfte seines Kopfes. Er versuchte mich mehrmals zurückzurufen. Nichts. Ich war weg – Johnathans gute Laune auch.
Die Hoffnung, dass Dane in dieser Nacht noch nach Hause kommen würde, erfüllte sich nicht. Die ganze Freude über die Feier war hin. Ein Ausnüchterungsprozess höchsten Grades.
Johnathan musste unweigerlich an Joan denken. Seit sie in Danes Leben getreten war, war nichts mehr in Ordnung. Er hatte von Anfang an das Gespür gehabt, dass mit dieser Joan etwas nicht stimmte. Sie hatte Dane zu ernst und ruhig gemacht. Sein temperamentvolles Auftreten war fast erloschen. Wir alle empfanden es zunächst als eine Wohltat.
Aber irgendwie vermissten wir den alten Dane auch. Seine Beziehung mit Joan gab ihm eine neue Ausstrahlung, an die wir uns alle erst gewöhnen mussten. Aber wer versteht nicht die Veränderung eines verliebten Menschen? Sie geht oft merkwürdige Wege.
Wie mit allen Dingen ließ sich Dane nicht aushorchen. Er barg diese Frau und seine Gefühle für sie wie einen Schatz. Sei es aus Angst, man könnte über sie urteilen oder sei es seine Art, sich nicht in privaten Dingen herumschnüffeln zu lassen. Darin war er ein wahrer Meister. Jedes Detail zu seiner Zeit, war stets seine Antwort.
Ich beneidete ihn, dass er keine Vorurteile in sich trug. Und Johnathan liebte seine Aufrichtigkeit. Aber mit der Lüge diese Nacht kam er überhaupt nicht zurecht.
Im Osten zeigten sich die ersten kleinen Quellwolken und zogen das Tageslicht wie einen Kaugummi hinter sich her. Das Grau verdichtete sich und kündigte einen Dauerregen an. Stunde um Stunde rann an Johnathan vorbei. Das schrille Klingeln des Telefons riss ihn schließlich aus seinen Gedanken. Er griff hektisch nach dem Hörer. „Hallo?“
„Hier ist Jim“, sagte ich mit zögernder Stimme. Mir war immer noch übel. Mir wurde noch übler, als ich an die Mitteilung dachte, die ich Johnathan machen musste.
„Gott sei Dank, du bist es“, entgegnete Johnathan. Seine Erleichterung war ihm anzuhören.
Ich stotterte: „Johnathan? Ich ...“
„Ist Dane bei dir?“, wurde ich unterbrochen.
„Ja, ich …“, stotterte ich weiter.
„Ahh“, ein langer Atem klang durch den Hörer. „Gut. Ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht.“
„Nein. Er ... er ...“ Ich wusste nicht, wie ich es ihm mitteilen sollte.
„Ist er nicht bei dir?“
„Doch, schon, aber ...“
„Na also.“
„Schon bei mir, aber nicht
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