Die Scheune (German Edition)
sicher. Kleine Anzeichen zeigten mir, dass er nicht mehr bewusstlos war. Seine Finger bewegten sich und suchten nach einem Halt, den ich ihm nicht geben konnte. Nach solchen Vorfällen war ich mit Berührungen vorsichtig. Sie konnten fatale Folgen haben und den Patienten in gefährliche Reaktionen stürzen. Niemand wusste, wie stark seine inneren Verletzungen waren. Sein Gesicht war in Bewegung. Deswegen redete ich mit vertrauter Stimme auf ihn ein, dass er nun in Sicherheit wäre. Es mussten sich zu diesem Zeitpunkt entsetzliche Dinge in seinem Kopf abgespielt haben. Ich redete und redete auf ihn ein, dass alles vorbei sei und gut werden würde. Ich sah, wie er den Kopf zu schütteln versuchte, als wolle er sagen, nichts ist gut. Gar nichts würde je wieder gut werden.
Die Röntgendiagnose war niederschmetternd. Mehrere Rippen waren gebrochen, Quetschungen, innere Blutungen, der linke Unterarm und das linke Schlüsselbein waren gebrochen. Es schloss sich eine ernstzunehmende Gehirnerschütterung an, unzählige Prellungen und Hämatome, drei hässliche Platzwunden und Verletzungen des Analkanals. Ich war geschockt, konnte die letzte Diagnose nicht fassen, denn es waren nicht nur frische Verletzungen zu sehen, auch alte rissähnlich verheilte Narben zeigten sich. Ich schwieg, setzte mich auf einen Stuhl und vergrub mein Gesicht in beiden Händen. Welcher Sache war ich da auf die Spur gekommen?
Ich bat die assistierenden Schwestern und Ärzte nachdrücklich um Schweigepflicht.
*
Dane hörte eine Frau schreien. Tief aus dem Loch hallte ihre Stimme nach oben. Dane, lauf weg! Es war Joan. Dann war alles rot. Alles Schmerzen. Er hörte sein Röcheln. Es schnürte jemand seinen Atem ab. Er spürte fremde Fäuste, die auf seinen Körper einprügelten, dann hörte er das Lachen der Männer. Ihre Hände waren schmutzig. Ihre Stimmen klangen verzerrt, hohl und unwirklich. Ein kurzes Bild des Grauens durchzuckte sein Innerstes. Gleich würde er aufwachen und alles wäre vorbei. Er sah, wie er Johnathan den schlimmen Alptraum erzählte. Dann ein Filmriss. Er wollte weiterdenken, aber etwas blockierte seine Gedanken. Eine Angst von Enge machte sich breit. Er flehte um weitere Erinnerungen. Sie waren grausam, das erkannte er schemenhaft. Auch, dass dies kein Traum war, sondern pure Realität. Unbarmherzig schlug sie zu. Und er sah, wie ihn ein abgrundtief hässliches Monster packte und blutspritzend in zwei Teile riss.
Ein Hilfeschrei der Anstrengung versickerte in stummes Stöhnen. Seine Hände wurden zu Fäuste. Tiefe Scham überkam ihn. Seine Fäuste öffneten sich wieder. Der Schmerz der Anstrengung ließ nach und gab ihn in die Bewusstlosigkeit frei.
Die Narkose begann zu wirken, und wir machten uns für die OP fertig.
1979. Vierzehn Jahre früher.
Glendale / Kalifornien. Dane 24 Jahre.
Es war 16.30 Uhr. In einer halben Stunde würde das Lokal öffnen. Dane kontrollierte die Tische. Eine dreiundzwanzigköpfige Gruppe hatte sich angemeldet. Eine Silberhochzeit sollte gefeiert werden. Das bedeutete viel Arbeit und exellente Organisation. Während Helen, die Aushilfe für den heutigen Tag, die Blumengestecke richtete, kontrollierte Dane noch schnell den Getränkevorrat hinter der Theke. Der Ablauf der Feier war abgesprochen, und man verließ sich auf einen reibungslosen Abend. Aber es sollte ganz anders kommen.
Was anfangs wirklich gelungen aussah, entpuppte sich nachher als ein totales Chaos.
Johnathan bemerkte, dass mit Dane etwas nicht stimmte. Er bewirtete die Gäste abwesend und suchte ständig gehetzt den Blickkontakt zu diesem komischen Menschen hinten in der Ecke an dem Einzeltisch, der nur selten besetzt war.
Dane dachte, es träfe ihn der Schlag, als er ihn das Lokal betreten sah. Sein Plan hatte also funktioniert. Nur heute durfte es auf keinen Fall sein. Heute, gerade heute war er nicht bereit für ihn. Aber das kümmerte den Lochschaufler wenig. Im Gegenteil, wie herrlich konnte er sich in diesem Trubel verstecken.
Der Lochschaufler lächelte erhaben, und Dane begann die Wünsche der Gäste zu überhören. Sollte es wirklich zu einem Angriff in diesem Lokal kommen? Dann war es ein übler Moment. Die Gäste rebellierten, und Johnathan begann sich im Kreis zu drehen. Dane bekam kaum noch etwas mit. Seine Aufmerksamkeit richtete sich nur noch auf eine Waffe, die sich plötzlich unter dem kleinen Tisch zeigen könnte. Seine Waffe war oben im Apartment.
Als Dane sich bei Johnathan
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