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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der andere verstand vom wirklichen Leben so viel und so wenig als ein kleines Kind.
    Für Kennedy und Sirdey hatten diese Entschuldigungen keine Geltung – und dennoch gehörten auch sie zu den unverbesserlichen Müßiggängern.
    Auf ihre Erfahrungen vom letzten Winter bauend, waren sie auf der Insel Hoste geblieben in der Voraussetzung, auf Kosten anderer ein untätiges Leben zu führen, und sie wollten jetzt nicht enttäuscht sein. Bisher hatten sie auch alle Wünsche erfüllt gesehen. Mehr verlangten sie für den Augenblick nicht und ließen die Tage sorglos verstreichen, ohne sich um die Zukunft zu sorgen.
    Auch Dorick und Beauval hatten sich vollständiger Trägheit ergeben. Ihre früheren Beschäftigungen waren keine gute Vorbereitung gewesen für diese besonderen Verhältnisse und sie wußten nicht recht, wie ein und aus. Auf einer im Urzustand der Kultur stehenden Insel, inmitten einer rauhen, wilden Natur, waren die Kenntnisse des ehemaligen Advokaten und des Ex-Professors für Literatur und Geschichte ganz wertlos zu nennen.
    Weder der eine noch der andere hatte die Ereignisse vorhersehen können, aber die Auswanderung des größten Teiles ihrer Gefährten hatte sie wie ein unerwarteter Schlag getroffen; diese hatte für sie die Wirkung einer Katastrophe und verwirrte ihre – übrigens ziemlich unklaren – Projekte. Durch diese Auswanderung ging Dorick seine nachgiebigste Kundschaft, Beauval das aufmerksamste Auditorium verloren, das heißt die Gesamtheit von Menschen, welche Politiker von Profession – wahrscheinlich ohne sich von dem Zynismus des Wortes Rechenschaft abzulegen – mit dem Namen »Wahlmaterie« bezeichnen.
    Nach zwei Monaten der Entmutigung raffte sich Beauval auf. Wenn er es auch im richtigen Momente an Energie hatte fehlen lassen, wenn sich alles selbst gestaltet hatte, seiner Leitung entschlüpfte, sein Einfluß wankend geworden war, deshalb gab er seine Sache noch lange nicht verloren. Was nicht war, konnte die Zukunft bringen. Die Hostelianer hatten in ihrer Nachlässigkeit noch kein Oberhaupt gewählt, dieses Amt konnte er immer noch anstreben. Das wäre etwas für ihn gewesen!
    Die geringe Anzahl der Wähler war kein Hindernis für den Erfolg. Im Gegenteil, in der dünngesäten Bevölkerung konnte man leichter zum Ziele gelangen. Um die Meinung der übrigen Kolonisten kümmerte man sich einfach nicht. Ohne allen Zusammenhang lebten sie auf der ganzen Insel verstreut; es war ganz ausgeschlossen, daß sie zu einem gemeinsamen Entschlusse kommen könnten. Sollten sie einmal später ins Lager zurückkehren, so würde das nur in kleinen Gruppen geschehen, und wenn diese dann eine Regierung in voller Tätigkeit antrafen, würden sie sich eben vor den Tatsachen beugen.
    Diesen neuen Plan hatte Ferdinand Beauval ständig im Auge und drängte zu seiner Ausführung. Wenige Tage der genaueren Beobachtung hatten ihm genügt, um sich klar darüber zu werden, daß die Zurückgebliebenen drei verschiedenen Strömungen folgten – abgerechnet die Neutralen, ganz Gleichgültigen. Mit Recht konnte er sich als Führer der einen Gruppe betrachten; die zweite gehorchte dem Einflusse Lewis Doricks und die dritten waren Parteigänger des Kawdjer. Nach reiflichem Überlegen hatte er die drei Gruppen auf ungefähr gleiche Stärke abgeschätzt.
    Auf dieser Grundlage baute Beauval seinen Feldzugsplan auf, seine Beredsamkeit hatte ihm bald ein halbes Dutzend neuer Anhänger geworben. Nun schritt er zu einer Scheinwahl. Zwei Wahlgänge waren notwendig – weil viele Wähler sich ihres Stimmrechtes enthalten hatten. Die große Anzahl dieser letzteren erklärte sich aus ihrer Unwissenheit und Unkenntnis der Wichtigkeit des Ereignisses, zu dem sie mithelfen sollten. Endlich hatte Beauval mehr als dreißig Stimmen für sich.
    Nachdem er mit Hilfe dieses Taschenspielerstückchens gewählt war, nahm er seine Rolle ernst und sorgte sich nicht mehr um die Zukunft. Welchen Reiz hätte es dann, Staatsoberhaupt zu sein, wenn dieses nicht auf Kosten der Wähler leben könnte.
    Aber andere Sorgen drückten ihn nieder. Der klare Menschenverstand sagte ihm, daß die Pflicht eines jeden Regenten im Regieren besteht. Damit hatte es aber seine Schwierigkeiten und es war jedenfalls nicht so leicht, als er bisher gemeint hatte.
    Gewiß wäre Lewis Dorick an seiner Stelle weniger verlegen gewesen. Die kommunistische Schule, der er angehörte, ist einfach und verständlich in ihren Lehren. Es ist klar, daß ihr Motto: »Alles

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