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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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überzeugt, daß Sie sich sehr gut aus der Klemme ziehen werden.
    – Das ist schon möglich, meinte Germain Rivière, aber meine Mühe wäre dadurch bedeutend vereinfacht, wenn, gegen eine kleine Entschädigung, sich jemand um die Interessen der einzelnen und die allgemeinen Bedürfnisse der Kolonie bekümmern würde. Wenn man die Arbeit nicht ein wenig einteilt, wenn jeder nur an sich denken und darauf ausgehen muß, alles Nötige durch eigene Kraft zu verschaffen, wird das Auskommen nicht leicht sein! Ein wechselweiser Austausch von Dienstleistungen, Dienste und Gegendienste, würde meiner Meinung nach das Leben sehr erleichtern.
    – Haben Sie denn so viele Bedürfnisse?« fragte lächelnd der Kawdjer.
    Aber Germain Rivière lächelte nicht; er schien verstimmt und sehr beschäftigt.
    »Es ist doch natürlich, daß man sich von seiner Arbeit auch Erfolg erhofft, sagte er. Wenn die Insel Hoste mir diese berechtigte Hoffnung nicht erfüllt, wenn der Fleiß von außen gar nicht unterstützt wird, werde ich nicht hier bleiben – und viele andere denken wie ich! – sondern in einem freundlicher gesinnten Lande meine Lebenstage beschließen, sobald ich die dazu nötigen Ersparnisse gemacht haben werde. Bis dahin werde ich mir allerdings – wie Sie vorhin sagten – zu helfen wissen, mich aus der Klemme ziehen, und andere werden es mir gleichtun. Diejenigen, die dessen nicht fähig sind, werden dann an der Scholle kleben bleiben.
    – Sie sind ehrgeizig, Herr Rivière, rief der Kawdjer.
    – Wenn ich es nicht wäre, würde ich mir nicht so viel Mühe geben, entgegnete Germain Rivière.
    – Ist es denn nützlich und notwendig, sich so anzustrengen?
    – Sehr notwendig. Wo bliebe dann der Fortschritt, ohne unsere vereinten Mühen und Plagen? Die Welt würde ja in den Urzustand zurückfallen!
    – Der Fortschritt, sagte der Kawdjer bitter, der immer nur einigen wenigen Auserwählten zugute kommt…
    – Ja, denen, die am meisten Ausdauer und Geschicklichkeit zeigen!
    – Ersteht nur zum Nachteile der großen Menge des Volkes.
    – Der Feiglinge und Müßiggänger! Solche Menschen sind überhaupt nicht viel wert. In einem gut verwalteten Lande werden sie vielleicht ein elendes Dasein führen; sich selbst überlassen, werden sie an ihrem Elend zugrunde gehen.
    – Aber man braucht ja so wenig zu seinem Auskommen.
    – Immer zu viel, wenn man krank, dumm oder ein Schwächling ist. Diejenigen, welche sich in dieser Lage befinden, müssen von einem höheren Willen geführt werden. Existieren keine Gesetze, deren wohltätiger Einfluß doch anerkannt werden muß, so unterliegen sie eben der Tyrannei, der rohen Gewalt.«
    Der Kawdjer schüttelte den Kopf, er war nicht überzeugt. Er kannte ja diese Redensarten und hatte dasselbe Lied schon so oft singen hören. Die menschliche Unvollkommenheit, die Ungleichheit der Geburt – das sind die Gründe, die immer vorgebracht werden, um den Zwang und die Unterdrückung zu rechtfertigen; aber gerade dadurch werden neue Übel geschaffen und die bestehenden nicht aufgehoben, ein Zustand, der im Gang der Welt unzulässig ist.
    Und doch war er etwas erschüttert in seinem innersten Inneren. Wenn er sich des Benehmens Lewis Doricks und seiner Bande während des letzten Winters erinnerte, an ihre schamlose Ausbeutung der Schwachen dachte, so sprach das sehr für die eben vernommene Meinung eines Mannes, dessen ehrenwerten Charakter er hochschätzte.
    Bei den Nachbarn Germain Rivières empfing er die gleichen Eindrücke. Gimelli und Ivanoff hatten auf mehreren Hektaren Landes Weizen und Korn gesäet. Die junge Saat sproßte schon aus dem Boden in prangendem Grün hervor und versprach für den Monat Februar eine reiche Ernte. Bei Gordon dagegen war kein großer Fortschritt zu verzeichnen. Seine durch starke Umzäunungen abgegrenzten, großen Weideplätze waren noch nicht sehr bevölkert, aber sie wußten, daß der Viehstand sich in nächster Zeit stark vermehren würde. Dann würden sie Milch und Butter im Überfluß haben, so wie sie jetzt schon mit Eiern reichlichst versehen waren.
    In den Zwischenpausen seiner Jagdausflüge beschäftigte sich der Kawdjer mit Arbeiten in einem kleinen Garten, der an dem Häuschen lag, und Halg und Karroly widmeten dieser Beschäftigung jene Stunden, die nicht durch den Fischfang ausgefüllt waren. Er sollte ihnen alles zum Leben nötige Gemüse tragen, so daß sie ganz unabhängig waren.
    Sie führten ein tatenreiches, wohl ausgefülltes Leben. Allerdings

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