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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mußten sie auf die Annehmlichkeiten verzichten, die der Aufenthalt in einem mehr fortgeschrittenen, zivilisierten Lande bietet; aber der Kawdjer vermißte gerne diese Bequemlichkeiten und Vorteile, wenn er den Preis bedachte den man dafür bezahlen muß. Er wünschte nicht mehr zu besitzen, als er augenblicklich sein eigen nannte, war vollkommen zufrieden mit seinem Dasein und fühlte sich vollkommen glücklich.
    Ebenso stand es mit seinen beiden Gefährten, welche niemals andere Verhältnisse kennen gelernt hatten, niemals aus dem Horizont des Magalhães Archipels hinausgetreten waren. Karroly hatte nie eine andere Existenz erträumt und fühlte sich in seinem Wirkungskreis sehr befriedigt, und für Halg bestand das Glück in den kurzen Augenblicken, die er bei Graziella verbringen durfte, wenn die Pflicht ihn nicht zur Arbeit rief.
    Die Familie Ceroni, welche gleichfalls eines der von den fortgezogenen Emigranten verlassenen Häuser bezogen hatte, begann sich jetzt langsam von den Schreckenstagen zu erholen, die früher so häufig gewesen waren und jetzt endlich ein Ende erreicht zu haben schienen. Lazare Ceroni hatte in der Tat aufgehört zu trinken, durch zwingende Gründe dazu veranlaßt: es war auf der ganzen Insel Hoste kein Tropfen Alkohol mehr aufzutreiben. So war er denn zu einem mäßigen Leben verurteilt, aber seine Gesundheit hatte durch die letzten häufigen Ausschreitungen sehr gelitten. Man sah ihn fast immer vor der Türe seines Hauses sitzen, wo er sich in der Sonne wärmte, mit zitternden Händen, die Blicke finster zu Boden gerichtet.
    Tullia hatte mit unermüdlicher Geduld und Sanftmut diese Stumpfheit zu bekämpfen gesucht, die sie mit großer Unruhe erfüllte; es war aber umsonst. Alle freundlichen Versuche blieben erfolglos; jetzt war ihre einzige Hoffnung der Umstand, daß Lazare gezwungen war, ein der Gesundheit zuträglicheres Leben zu führen und daß die heilende Zeit günstig auf ihren Mann einwirken werde.
    Haig, welcher anders urteilte als die bekümmerte Frau, fand seit Eintritt der Friedensperiode das Dasein viel leichter zu ertragen. Auch in anderer Hinsicht schienen die Ereignisse für ihn – der alles auf Graziella bezog – eine günstigere Wendung zu nehmen. Lazare Ceroni, dessen feindselige Stimmung er früher gefürchtet hatte, zählte nicht mehr, und der eine seiner gefährlichen Rivalen, der Irländer Patterson, hatte den Wettbewerb endgültig aufgegeben.
    Er ließ sich nicht mehr blicken und belästigte Graziella und deren Mutter nicht mehr durch seine Gegenwart. Wahrscheinlich hatte er eingesehen, daß er bei dem Geisteszustand seines Verbündeten nicht auf dessen Hilfe rechnen durfte.
    Ein anderer ließ sich dafür nicht abschrecken. Von Tag zu Tag wurde er zudringlicher. Er suchte Graziella auf alle mögliche Weise einzuschüchtern, bedrohte sie und griff schließlich – obwohl in viel vorsichtigerer Weise – Halg selbst an. Gegen Ende Dezember, als der Indianer den unverschämten Menschen begegnete, hörte er diesen beleidigende Worte murmeln, die unzweifelhaft dem jungen Manne galten. Als er wenige Tage darauf zum linken Flußufer ging, flog ein mit Wucht geschleuderter Stein in ganz geringer Entfernung von seinem Gesichte vorbei.
    Haig erriet natürlich den Urheber dieser Angriffe, hatte aber zu viel von den Ideen des Kawdjer angenommen, um den Gedanken an Rache in sich aufkommen zu lassen. Er schien auch während der folgenden Tage die Herausforderungen seines Feindes nicht zu bemerken und strafte dieselben mit stillschweigender Verachtung. Aber Sirk, durch die ruhige Haltung Halgs in Sicherheit gewiegt, trieb seine Frechheit bald zum äußersten, so daß Halg gezwungen wurde, sich zu verteidigen.
    Lazare Ceroni fühlte dank seiner langsamen Verblödung nicht die Schrecken der Untätigkeit; anders stand es mit den anderen Arbeitern, seinen Kameraden. Diese wußten nichts mit ihrer Zeit anzufangen und die Denkenden unter ihnen konnten sich ernstlicher Sorgen ob der Zukunft nicht entziehen. Es war ja ganz recht, auf der Insel Hoste geblieben zu sein – aber es mußte doch für ihr künftiges Leben vorgesorgt werden. Wer A sagt, muß auch B sagen. Freilich ging ihnen vorläufig nichts ab, aber was machen, bis die Vorräte erschöpft waren?
    Sowohl um dieser drohenden Gefahr der Zukunft zu begegnen, als um die Langeweile der Gegenwart zu bekämpfen, wurden fast alle erfinderisch. Die Not soll ja Erfinder erschaffen. Einen lange gehegten Wunsch zur Ausführung

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