Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
heißesten Wünsche brachte, zog er über den Fluß hinüber. Sein Haus wurde niedergerissen, die einzelnen Teile auf das linke Flußufer geschafft, wo es einige Maurer wieder zusammenfügten, wie sie es seinerzeit auch mit dem festeren, behaglicheren Heim des Kawdjer gemacht hatten.
Harry Rhodes unterschied sich von seinem Freunde darin, daß er die Arbeiter gebührend bezahlte und diese waren gleichzeitig über den unerwarteten Lohn erfreut und bestürzt, denn sie wußten nicht, was sie mit dem Gelde beginnen sollten.
Das Beispiel der Familie Rhodes fand Nachahmer. Nach und nach verließen Smith, Wright, Lawson, Fock, ferner die Zimmerleute Hobard und Charley ihre Wohnungen, um sich am anderen Flußufer ein neues Heim zu gründen. So bildete sich um das Haus des Kawdjer ein neuer Ort, an dem Ufer, wo sich auch schon Hartlepool und die Matrosen niedergelassen hatten, ein Dorf, das drei Wochen nach der Unabhängigkeitserklärung der Insel einundzwanzig Einwohner zählte, darunter zwei Kinder, Dick und Sand, und zwei Frauen, Clary Rhodes und deren Mutter.
Ter Kawdjer blickte hin… (S. 203.)
Das Leben in diesem werdenden Dorfe war ein sehr friedliches, nichts störte das allgemeine, gute Einvernehmen. Beauval mußte einmal herüberkommen, um die ersten Schatten in das stille Gluck zu werfen.
An diesem Tage hatte Halg ein ernstes Gespräch mit dem Kawdjer. In Harry Rhodes’ Gegenwart bat er um Rat, wie er sich gegen einige Kolonisten des anderen Flußufers zu verhalten habe. Es handelte sich um die ungeschickten Fischer, welche einmal an das gute Herz der beiden Feuerländer appelliert hatten. Das Ergebnis ihrer versteckten Bettelei schien sie so befriedigt zu haben, daß sie seither, in immer kleiner werdenden Zwischenräumen, ihr damaliges Vorgehen wiederholten, und jetzt ging kaum ein Tag vorüber, an dem Halg nicht einen Teil seiner Beute an Fischen in ihren Besitz übergehen sah. Sie glaubten wohl, daß sie sich jetzt überhaupt nicht mehr anzustrengen brauchten, da man die Güte hatte, für sie zu arbeiten. Sie blieben daher ruhig auf dem Lande und erwarteten die Rückkehr der Schaluppe ab, um ihr dann, als ob sie ein Recht darauf hätten, einen Teil des Tagesergebnisses abzuverlangen.
Halg fing an, sich über diese Unverfrorenheit, diesen Mangel an Ehrgefühl zu ärgern, um so mehr, als sein Feind Sirk auch zu dieser Bande von Müßiggängern gehörte. Doch er wollte erst den Kawdjer um seine Meinung befragen, ehe er ihnen eine abschlägige Antwort gab. Als gehorsamer Jünger gedachte er sich der höheren Weisheit und Erfahrung seines Meisters zu fügen.
Er saß mit seinen beiden Freunden am Strande, das unendliche Meer vor Augen, und erzählte alle Vorkommnisse der letzten Zeit bis ins einzelne. Die Antwort des Kawdjer war kurz und bündig.
»Betrachte den weiten Weltraum vor dir, Halg,« sagte er mit ungewohnter Weichheit in der Stimme; »er lehrt dich eine weitere Lebensauffassung! Welche Torheit! Du bist ein winziges Staubkorn, das sich im unendlichen Weltganzen verliert – und du willst dich wegen einiger armseliger Fische aufregen!… Die Menschen haben nur eine Pflicht, mein Sohn, die zur Notwendigkeit wird, wenn sie ausharren wollen und Sieger bleiben in ihrem Erdenwallen; und diese Pflicht ist: sich gegenseitig zu lieben und zu unterstützen, wie und wo sie nur können.
Diejenigen, deren Namen du erwähnt hast, waren pflichtvergessen; aber ist das ein Grund, es ihnen gleich zu tun? Es ist eine so unendlich einfache Regel: zuerst für das eigene Auskommen sorgen; dann aber, nachdem dieser Pflicht gegen sich selbst Genüge getan ist, hat man an die Nächsten zu denken; je mehr man beglücken kann, desto besser! Was kümmert es dich, wenn sie auf Abwege geraten? Es ist ihre Schuld und Schande, nicht die deine!«
Haig hatte ehrerbietig dieser Auseinandersetzung gelauscht. Vielleicht hatte er die Absicht, etwas darauf zu erwidern, als der Hund Zol, der zu Füßen der drei Männer ausgestreckt lag, ein dumpfes Knurren hören ließ.
Fast gleichzeitig rief eine Stimme aus nächster Nähe:
»Kawdjer!«…
Der Kawdjer blickte hin.
»Herr Beauval, sagte er.
– Jawohl, ich selbst… Ich muß mit Ihnen sprechen, Kawdjer.
– Ich bin bereit, Sie anzuhören.«
Aber Beauval sprach nicht gleich Er fühlte sich plötzlich sehr eingeschüchtert, obwohl er seine Rede sorgfältig einstudiert hatte. Aber als er nun vor dem Kawdjer stand, in dieses ernste, unbewegliche Antlitz blickte, hatte er
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