Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
jung waren, gab es Hunderte von uns.«
»Es dauert bestimmt
Tage,
um ein neues Feuer zu entzünden.« Masklin dachte an das Brillenglas, das ihnen zur Verfügung stand. Es funktionierte nur, wenn die Sonne lange genug schien.
Verdrossen stocherte er im Schlamm herum.
»Ich habe genug«, brummte er. »Ich verlasse euch.«
»Aber wir brauchen dich!«
»
Ich
brauche mich ebenfalls. Ich meine, was ist dies für ein Leben?«
»Die Alten sterben, wenn du fortgehst.«
»Sie sterben ohnehin«, entgegnete Masklin.
»So etwas solltest du nicht sagen!«
»Es stimmt. Irgendwann stirbt jeder. Zumindest
wir.
Nimm dich selbst als Beispiel. Du verbringst die ganze Zeit damit, zu waschen, aufzuräumen, zu kochen und dich um
andere
Leute zu kümmern. Du bist fast drei und solltest endlich ein eigenes Leben führen!«
»Oma Morkie hat mich gut behandelt, als ich klein war«, wandte Grimma ein. »Irgendwann wirst auch du alt.«
»Meinst du? Und wer rackert sich dann für mich ab?« Zorn brodelte in Masklin auf. Er zweifelte nicht daran, recht zu haben, aber gleichzeitig
fühlte
er sich so, als sei er im Unrecht, und dadurch wurde alles schlimmer. Er hatte lange darüber nachgedacht, und seine Überlegungen führten immer zu einer Mischung aus Wut und Schuldgefühl. Die Klugen, Kühnen und Tapferen waren längst fort. Ganz deutlich erinnerte er sich an ihre Abschiedsworte:
Guter alter Masklin, auf dich ist Verlaß.
Paß du hier auf. Wir sind bald weder da; wir suchen nur nach einem besseren Ort.
Wenn sich der gute alte Masklin daran entsann, prickelte Empörung in ihm – weil er geblieben war. Er gab immer nach. Darin bestand sein Problem, und er wußte es.
Ganz gleich, was er sich zu Anfang versprach: Schließlich wählte er den Weg des geringsten Widerstands.
Grimma starrte ihn an. Er zuckte mit den Schultern.
»Schon gut, schon gut«, murmelte Masklin. »Die Alten können uns begleiten.«
»Du weißt, daß sie nicht mitkommen. Sie sind zu alt und hier auf gewachsen. Es gefällt ihnen hier.«
»Es gefällt ihnen hier, weil wir sie dauernd bedienen«, murmelte der Jungwicht.
Sie beließen es dabei. Zum Abendessen gab es Nüsse, und in seiner Portion fand Masklin eine Made. Später ging er nach draußen, saß oben an der Böschung, stützte das Kinn auf die Hände und beobachtete das breite Asphaltband.
Die Autobahn präsentierte ihm einen langen Strom aus roten und weißen Lichtem. Menschen hockten in jenen Kästen und gingen ihren geheimnisvollen Angelegenheiten nach. Aus irgendwelchen rätselhaften Gründen schienen sie immer in Eile zu sein.
Masklin vermutete, daß sie kein Rattenfleisch aßen. Menschen hatten es eigentlich sehr leicht. Sie waren groß und langsam, aber niemand zwang sie, in feuchten Löchern zu wohnen und darauf zu warten, daß dumme alte Frauen ein Feuer ausgehen ließen. Es schwammen keine Würmer in ihrem Tee. Sie gingen und fuhren, wohin sie wollten, verhielten sich immer so, wie sie selbst es für richtig hielten. Die ganze Welt gehörte ihnen.
Sogar des Nachts waren sie stundenlang unterwegs, in ihren kleinen Lastern mit Lampen vorn und hinten. Schliefen sie denn nie? Es
muß Hunderte von ihnen geben,
überlegte Masklin.
Manchmal träumte er davon, mit einem Lastwagen aufzubrechen. Sie hielten oft am Cafe, und es konnte nicht schwer sein – jedenfalls nicht
zu
schwer –, auf einen hinaufzuklettern.
Sie glänzten sauber; bestimmt ermöglichten sie ihm eine bessere Zukunft. Die Alternative wirkte alles andere als verlockend.
Hier überstehen wir den Winter sicher nicht,
dachte er und schauderte bei der Vorstellung, über die Felder zu wandern, wenn das schlechte Wetter begann.
Natürlich blieben es Träume. Masklin malte sich aus, den dahinhuschenden Lichtem zu folgen, aber er brachte nicht den Mut auf, sich diesen Wunsch zu erfüllen.
Und über der Autobahn … Die Sterne. Torrit betonte immer wieder, die Sterne seien sehr wichtig. Derzeit sah sich Masklin außerstande, ihm beizupflichten. Man konnte sie nicht essen.
Ihr Schein genügte nicht einmal, um gut zu sehen. Sterne waren recht nutzlos, wenn man genauer darüber nachdachte …
Jemand schrie.
Masklins Körper sprang auf, noch bevor er einen Befehl vom Gehirn erhielt. Lautlos stürmte er durchs Gebüsch zurück.
Ein Fuchsrüde hatte die Schnauze in den Bau geschoben und wedelte aufgeregt mit der Lunte. Der Nom erkannte das Tier sofort: Er war ihm schon einmal begegnet und mit einem gehörigen Schrecken
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