Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
Wenigstens wissen jetzt alle, was sie zu erwarten haben.«
Er blickte durch den langen dunklen Laderaum, und Neugier erfaßte ihn.
»Ich sehe mich draußen um, während wir hier warten«, fügte er hinzu.
Grimma sah ihn groß an. »Warum denn?«
»Nur so«, antwortete Masklin unsicher. »Um festzustellen, wie’s draußen aussieht.« Er wandte sich an Gurder. »Möchtest du mitkommen?«
»Was?« entfuhr es dem neuen Abt entsetzt. »Ich? Nach draußen?«
»Früher oder später mußt du den Laster ohnehin verlassen.
Warum nicht jetzt?«
Gurder zögerte, zuckte dann mit den Schultern. »Können wir das Kaufhaus« – er leckte sich die Lippen – »von
außen
sehen?«
»Vielleicht – wir sind noch nicht sehr weit gefahren«, entgegnete Masklin möglichst diplomatisch. Einige Wichte halfen ihnen über die Ladeklappe des Lastwagens, und sie sprangen auf etwas hinab, das Gurder vermutlich als Fußboden bezeichnet hätte. Der Asphalt war feucht, und Dunstschwaden zogen langsam dahin. Masklin atmete mehrmals tief durch. Dies war das Draußen, kein Zweifel. Richtige Luft, frisch und kühl. Sie roch nicht so, als sei sie bereits von zweitausend Nomen verbraucht worden.
»Der Sprinkler hat sich eingeschaltet«, sagte Gurder.
»Der was?«
»Der Sprinkler. Kleine Düsen in der Decke. Sie versprühen Wasser, wenn …« Gurder unterbrach sich und sah nach oben.
»Ach du meine Güte …«
»Du meinst sicher den Regen«, vermutete Masklin.
»Meine Güte, meine Güte.«
»Es ist nur Wasser, das vom Himmel herabfällt«, erklärte Masklin. Und da das nicht zu genügen schien. fügte er hinzu:
»Es ist naß, und man kann es trinken. Regen. Man braucht gar keinen spitzen Kopf. Es fließt trotzdem ab.«
»Meine Güte …«
»Fühlst du dich nicht gut?«
Gurder zitterte. »Hier gibt es keine Decke!« stöhnte er. »Und alles ist so groß!« Masklin klopfte ihm auf die Schulter.
»Für dich ist das natürlich neu«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen, wenn du etwas nicht verstehst.«
»Du verspottest mich!« klagte der Abt.
»Nein, eigentlich nicht. Ich weiß genau, wie man sich fühlt, wenn man Angst hat.«
Gurder straffte die Gestalt. »Angst? Ich? Unsinn! Es ist alles in Ordnung mit mir. Ich bin nur ein wenig, äh, überrascht. Weil ich nicht damit gerechnet habe, daß hier alles so, äh, so, so
draußen
ist. Inzwischen konnte ich mich daran gewöhnen, und jetzt geht es mir schon viel besser. Tja. So sieht es also aus, das Draußen.« Er drehte das letzte Wort im Mund hin und her, wie ein seltsam schmeckendes Bonbon. »Ziemlich, äh, groß. Ist das alles, oder gibt es noch mehr davon?«
»Noch viel mehr«, antwortete Masklin. »In meiner alten Heimat reichte das Draußen vom einen Rand der Welt bis zum anderen.«
»Oh«, murmelte Gurder. »Nun, ich glaube, dieses Draußen genügt mir vorerst. Ja.« Der Jäger drehte sich um und faßte den Lastwagen ins Auge. Er war in der Gasse fast festgekeilt, und Müll umgab ihn. Im einen Ende zeigte sich eine große Beule.
Jenseits des Gassenzugangs schimmerten Straßenlaternen im Nieselregen. Ein Auto sauste mit blitzendem blauen Blinklicht vorbei. Es sang – anders ließ es sich nicht beschreiben.
»Sonderbar«, sagte Gurder.
»So etwas haben wir auch zu Hause gehört, manchmal«, meinte Masklin. Es war eine sehr angenehme Abwechselung, selbst über Dinge Bescheid zu wissen und sie zu erklären. »Gelegentlich erklangen diese Melodien von der Autobahn: Tatü, Tatü, TATÜ, TATÜ, tatü. Wahrscheinlich werden Menschen damit aufgefordert, Platz zu schaffen und nicht im Weg zu sein.« Sie schritten am Rinnstein entlang, erreichten die Ecke und spähten über den Bordstein, als ein weiterer singender Wagen vorbeiraste.
»Oh, günstige Angebote in Hülle und Fülle!« Gurder preßte sich die Hand auf den Mund.
Das Kaufhaus brannte.
Flammen loderten aus einigen der oberen Fenster, wie im Wind wehende Gardinen. Eine Rauchwolke stieg vom Dach auf und bildete eine dunkle Säule vor dem Regenhimmel.
Der letzte Schlußverkauf fand statt. Das Kaufhaus bot nun eine besondere Auswahl an Funken und Glut an, für jeden Geldbeutel geeignet.
Menschen eilten vor dem Kaufhaus hin und her. Zwei rote Lastwagen mit Leitern darauf parkten am Straßenrand. Schläuche gingen davon aus und spritzten offenbar Wasser ins Gebäude.
Masklin musterte Gurder und fragte sich, was der Abt wohl gerade dachte. Er nahm alles erstaunlich gefaßt hin, doch als er sprach, klang seine Stimme gepreßt,
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