Die Schlacht der Trolle
orientierungslos zwischen den Gefallenen umher und scheuten vor dem Troll. Kerr merkte, wie sich die Aufregung des Kampfes, die Blutlust und der Zorn in seinem Inneren legten und er wieder ruhig auf das entfernte, aber deutliche Schlagen des Herzens lauschen konnte.
»Es ist schon erstaunlich, welche Wirkung zwei, drei Dutzend Trolle haben können«, sagte Stens Gefährtin. »Zumindest wenn sie im Rücken einer Armee aus dem Boden brechen.«
»In der Nacht von riesigen Bestien angegriffen zu werden, kann selbst den stärksten Krieger entsetzen«, entgegnete der Menschenkrieger.
»Wir haben gesiegt, weil wir Trolle sind und weil wir stark sind. Wir haben uns nicht gefürchtet«, meinte Kerr stolz, und Sten nickte anerkennend.
»Ionna ist tot. Ich weiß gar nicht, wie mir ist«, bekannte Viçinia unvermittelt.
»Ich weiß, was du meinst«, sagte ihr Gefährte schlicht. »Im Moment ist es fast, als würde ich gar nichts fühlen. Es ist einfach zu viel geschehen. Mein Geist kann nichts mehr aufnehmen, weder die guten noch die schlechten Neuigkeiten.«
Zu viel. So wie in dem Moment, als ich die Dreeg in mich aufgenommen hatte. Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn du keinen Platz für all das hast, was da ist, dachte Kerr, aber er wusste nicht, wie er das den Menschen sagen sollte. Er bemerkte, dass er es nicht ausdrücken konnte, und schwieg, als er sah und witterte, dass die Menschen bereits um ihre Verluste trauerten.
»Lass uns einen Platz finden, wo wir uns hinlegen können«, schlug Sten vor. »Ich bin todmüde. Wo ist dieses Lager, von dem Flores gesprochen hat? Ich bin mir sicher, wir werden auch morgen noch genug Gelegenheit haben, uns den Kopf zu zerbrechen.«
Gemeinsam folgten sie den Soldaten der Wlachaken, die in einem langsamen Zug das Schlachtfeld verließen. Kerr sah immer wieder die erstaunten Gesichter der erschöpften Krieger. Er hörte, wie Stens und Viçinias Namen geflüstert wurden, wie sie von Mund zu Mund sprangen, bis alle sie gehört hatten. Er sah und fühlte die ängstlichen, bewundernden, ungläubigen Blicke, die ihm und seinem Stamm galten.
Plötzlich tauchte über der Kuppe eines Hügels Turk auf, gefolgt von wenigstens einem Dutzend weiterer Trolle. Viele von ihnen hatten Kratzer und Risse in der Haut, die von scharfkantigem Metall stammten, aber Kerr erkannte sofort, dass keine der Wunden wirklich gefährlich für einen Troll war. Als die Trolle die Gruppe um Kerr sahen, kamen sie auf sie zu.
»Dieses Tier mit dem Reiter wegzuschleudern, war eine gute Idee«, sagte soeben Sek zu dem Anführer, und dieser lachte brüllend auf.
»Da hatten die Menschen mehr Angst vor uns als die Graupelze!«, entgegnete er mit gebleckten Hauern.
Die Trolle bildeten langsam einen Kreis um Kerr.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Turk. Erstaunt erkannte der junge Troll, dass sein Stamm nun, da die Schlacht vorüber war, von ihm eine Entscheidung erwartete. Er holte tief Luft.
»Ich will bald unter die Erde zurück«, entschied er, da er sich unter den Blicken der vielen Menschen unwohl fühlte. »Wir können morgen Nacht zurückkehren.«
Unter den Trollen erhob sich zustimmendes Gemurmel. Sie alle wollten zurück in die Gebeine der Welt.
Dann wandte sich Kerr an die Menschen. »Ihr seid hier sicher?«
»Ja. Danke, Kerr«, antwortete Viçinia mit einem Lächeln.
Sten trat vor und legte dem jungen Troll die Hand auf den Arm. »Sichere Wege, Kerr. Und danke für alles.«
»Ihr seid hareeg«, erwiderte Kerr einfach, wandte sich ab und schritt in die Dunkelheit der Nacht, deren Endlosigkeit ihm verlockend erschien.
61
Ü ber Nacht war Schnee gefallen und hatte den ewigen Regen verdrängt, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Herbst endlich doch zu Ende gegangen war und dem Winter Platz gemacht hatte. Nun lag eine schwere, weiße Decke über der Gegend und ließ diese wie ein fremdes Land wirken.
Das habe ich mir selbst zuzuschreiben, dachte Flores, die sich mit einiger Mühe einen Pfad über den Hof der Feste Rabenstein bahnte. Hätte ich nur ein wenig länger geschlafen, dann wäre gewiss ein anderer vor mir aufgestanden, und der Weg wäre bereits freigeräumt. Aber sie wusste, dass Tamár für gewöhnlich schlecht schlief, und deshalb nahm sie es beinahe jeden Morgen auf sich, als Erste in der Feste von Dabrân unterwegs zu sein, um nach dem verletzten Masriden zu schauen.
Nach der Schlacht bei Starig Jazek hatten sich die Wlachaken und Masriden vor dem anbrechenden Winter in
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