Die schlafende Armee
weiter. »Schneller, als ich geglaubt habe.« »Dann sollten wir hier verschwinden«, sagte Skudder erschrocken. Hartmann machte eine beruhigende Handbewegung. »Das ist nicht nötig. Wir sind hier in Sicherheit.« »In Sicherheit?« Skudder lachte hart. »Eine einzige Lasersalve auf den Waldrand, und...« »Das werden sie nicht tun«, unterbrach ihn Hartmann ruhig. »Und wieso nicht?« erkundigte sich Charity. »Sie tun es nicht«, sagte Hartmann. »Trotzdem sollten wir hier verschwinden. Es kann eine Stunde dauern, bis sie uns abholen. Falls die Maschine bei diesem Sturm überhaupt startet. Und diese verdammten Gleiter sind nicht die einzige Gefahr hier.« Dicht beieinander gingen sie weiter, wobei Hartmann sorgfältig darauf achtete, daß sie den Wald nicht verließen, aber auch nicht weiter in ihn eindrangen. Sie kamen gut voran, obwohl sie manchmal an Hindernisse gerieten: klaffende Erdspalten, Mauerreste und Schuttberge, die vom wuchernden Grün des Waldes noch nicht ganz verschlungen worden waren, oder aber morastige Tümpel, in denen vielleicht Ameisenjunge hausten. Sie waren etwa eine halbe Stunde unterwegs, als Kyle plötzlich einen halblauten Ruf ausstieß und warnend die Hand hob. Charity blieb abrupt stehen, und auch Hartmann und seine beiden Begleiter verhielten mitten im Schritt und sahen den Mega-mann fragend an. »Was ist?« fragte Charity alarmiert. »Ich ... bin nicht sicher«, antwortete Kyle. Ein Ausdruck angespannter Konzentration lag plötzlich auf seinen Zügen. »Aber irgend etwas ... kommt.« »Irgend etwas?« Kyle zuckte beinahe hilflos mit den Schultern. »Menschen«, sagte er schließlich. »Ziemlich viele. Fünfzehn - vielleicht zwanzig.« »Was redet er da?« fragte Hartmann unwillig. »Sie kommen bei diesem Sturm nicht aus ihren Löchern.« »Wenn Kyle sagt, daß sich jemand nähert, dann stimmt das auch«, antwortete Charity ruhig, aber in so bestimmtem Ton, daß Hartmann nicht mehr widersprach, sondern den Mega-mann mit noch größerem Mißtrauen anblickte. »Ich höre nichts!« sagte Lehmann grob. »Verdammt, laß uns weitergehen! Wenn wir zu spät am Treffpunkt sind, können wir den Rest unseres Lebens hier draußen verbringen.« Kyle beachtete ihn gar nicht. Behutsam lud er den Verwundeten von seiner Schulter, legte ihn zu Boden und richtete sich wieder auf. Sein Blick huschte über die schwarze Mauer des Waldrandes, blieb einen Moment prüfend an einem Schatten hängen und tastete dann weiter. »Da ist ... noch mehr«, murmelte er. »Ich ... weiß nicht, was, aber...« Trotz Kyles Warnung geschah alles andere völlig überraschend. Kaum einen Meter hinter Hartmann und seinen beiden Begleitern brach plötzlich ein großes, struppiges Etwas aus dem Wald, so schnell und mit solch ungestümer Kraft, daß der Leutnant und seine beiden Männer kaum die Zeit fanden, sich zur Seite zu werfen. Der ersten Ratte folgte eine zweite und schließlich eine dritte und vierte. Die Tiere zerrten etwas mit sich, daß Charity im ersten Moment nicht richtig erkennen konnte: Jeweils zwei von ihnen hatten ihre Fänge in einen ledrigen Sack von grauschwarzer, feuchter Farbe gegraben, in dem es unentwegt zuckte und bebte. Ihre Beute mußte sehr schwer sein, denn trotz ihrer enormen Kraft kamen die Ratten nur mühsam von der Stelle. Hinter den Tieren stürmte mehr als ein Dutzend in Fetzen gehüllter Gestalten heran. Fast alle waren bewaffnet - mit Speeren und Keulen, einige auch mit primitiven Äxten und kurzen Bögen, auf die sie federlose Pfeile aufgelegt hatten. Und sie waren so auf die Verfolgung der vier Ratten konzentriert, daß sie das gute halbe Dutzend Menschen erst gewahrten, als sie praktisch schon vor ihnen standen. Charity sah, wie Lehmann seine Waffe hob und auf einen der Männer anlegte; fast gleichzeitig richteten sich die Spitzen eines halben Dutzends Speere und Pfeile auf die drei Soldaten. »Nein!« Kyles Schrei ließ die Männer abermals erstarren. Mit einem einzigen Satz war der Megamann zwischen Hartmann und den Barbaren, breitete abwehrend die Arme aus und rief noch einmal mit laut schallender Stimme: »Nein! Nicht schießen!« Lehmann versuchte, einen Schritt zur Seite zu machen, um freie Schußbahn zu bekommen, aber Kyle stieß ihn mit einer fast beiläufigen Bewegung zu Boden, so daß er stürzte und das Gewehr seinen Händen entglitt. Gleichzeitig deutete er mit der anderen Hand zuerst auf Charity, dann auf die Ratten, die den Waldrand schon fast
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