Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schlafende Armee

Die schlafende Armee

Titel: Die schlafende Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sich Charity. »Zu viele«, antwortete Hartmann grob. »Vielleicht ein paar tausend, niemand weiß das so genau.« »Tausende?« fragte Charity zweifelnd. »Aber wovon leben sie?« »Von allem, was sie finden«, antwortete Lehmann an Hartmanns Stelle. »Schlimmstenfalls fressen sie sich gegenseitig. Oder ihre Kinder.« Charity starrte den Soldaten entsetzt an. Lehmanns Stimme war so voller Verachtung und Haß, wie Charity es selten zuvor gehört hatte. »Und ihr habt nie versucht, ihnen zu helfen?« »Helfen?« »Das da draußen sind Menschenl« sagte Charity. »Wie...« »Nein, das sind sie nicht«, unterbrach sie Hartmann kalt. . »Sie sehen nur so aus.« Bevor Charity etwas erwidern konnte, sagte Skudder leise: »Manchmal frage ich mich, ob ich auf der richtigen Seite stehe.« Hartmann fuhr mit einem Ruck in seinem Sitz herum und wollte den Hopi anfahren, doch in diesem Moment prallte etwas mit einem dumpfen Krachen gegen den Wagen, und sie alle blickten erschrocken wieder auf den Monitor. Schatten bewegten sich am Straßenrand, huschten hin und her. Und dann prallten ein zweiter und ein dritter Stein gegen den Wagen. Felss fluchte unterdrückt und gab wieder Gas. Der Wagen schoß mit einem Satz los und begann schlingernd die Straße hinunterzurasen. Aber das Bombardement von Steinen hörte nicht auf; einige waren so groß, daß das Fahrzeug spürbar unter ihrem Einschlag erzitterte. Felss löste eine Hand vom Lenkrad und griff nach der Kontrolle der Waffen, aber Hartmann winkte hastig ab. »Nicht schießen!« befahl er. Felss zog die Hand mit sichtlichem Widerstreben zurück, widersprach aber nicht, sondern konzentrierte sich voll und ganz darauf, den immer stärker schlingernden Wagen unter Kontrolle zu halten. Es dauerte nur wenige Minuten, aber die Strecke bis zum Ende der schmalen Trümmerallee wurde zu einem regelrechten Spießrutenlauf. Mehr als einmal wurde der Wagen heftig getroffen, und einmal rollte ein riesiger Felsbrocken aus einem Schuttberg herab und verfehlte sie nur um wenige Meter. Dann endlich hatten sie die wütenden Dreckfresser hinter sich gelassen. »Das war knapp«, sagte Charity und atmete auf. »Sie scheinen sich mit den oberirdischen Einwohnern dieser Stadt nicht besonders gut zu verstehen, Leutnant Hartmann.« Hartmann lächelte humorlos. »Es gibt gewisse Meinungsverschiedenheiten«, sagte er. »Aber meistens haben wir die besseren Argumente.« Nach einer halben Stunde begann die Sonne wirklich zu sinken, und graues Licht mischte sich in die staubgeschwängerte Luft. Es war sehr still im Wagen geworden. Lehmann und Felss wechselten manchmal ein halblautes Wort miteinander, und dann und wann ließ der verletzte Techniker ein Stöhnen hören. Keiner von ihnen hatte ein Wort gesprochen, seit ihrer ersten Begegnung mit den Dreckfressern, aber Charity spürte genau, was in den anderen vorging. Sie war nicht die einzige, die sich immer mehr zu fragen begann, ob diese Männer wirklich ihre Verbündeten waren. Sie waren Feinde Daniels und seiner Handlanger - aber waren sie deshalb gleich ihre Freunde!«  Der Wagen wurde langsamer und hielt schließlich an. Charity sah alarmiert auf und begegnete zum ersten Mal seit einer halben Stunde wieder Hartmanns Blick. »Was ist passiert?« fragte sie. Hartmann hob wortlos die Hand und gebot ihr, hinter ihn zu treten. Das Licht war draußen bereits so schwach geworden, daß Charity ihre Umgebung nur noch schemenhaft wahrnehmen konnte. Felss wagte es nicht, die Scheinwerfer des Wagens einzuschalten, aber es gab einen zweiten Monitor, dessen Kamera offensichtlich mit einem Restlichtverstärker ausgerüstet war: Die Bilder darauf waren blaß und grobkörnig, so daß sie noch gespenstischer wirkten. Dabei wäre das, was sie zeigten, für sich allein schon unheimlich genug gewesen. Auch dieser Teil der Ruinenstadt war mit wucherndem Dschungel bedeckt. Auf der rechten Seite der Straße bildete das Buschwerk eine nahezu undurchdringliche Mauer, die die verkohlten Ruinen viel weniger überwuchert als gleichsam absorbiert zu haben schien. Auf der anderen Seite der Straße erhoben sich verkrüppelte Bäume. Dahinter bewegten sich vier, fünf Gestalten in zerfetzten Kleidern und mit langem, verfilztem Haar. Im ersten Moment konnte Charity nicht genau erkennen, was sie taten; dann legte Felss einen Schalter auf seinem Armaturenbrett um, und das Bild wurde deutlicher. Charity sah, daß die Gestalten sich im Halbkreis um einen schlammigen

Weitere Kostenlose Bücher