Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schlafende Armee

Die schlafende Armee

Titel: Die schlafende Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
dem Stahlseil hinaufzuklettern. Es war sehr viel schwerer, als sie erwartet hatte. Die Trosse war straff gespannt und vibrierte unter ihren Händen, als wolle sie jeden Moment zerreißen. Sie war zudem so dick mit Schmiere und Öl eingerieben, daß Charity immer wieder den Halt verlor. Sie war in Schweiß gebadet, als sie endlich die Tür erreichte. »Rechts neben der Tür!« drang die Stimme des Soldaten zu ihr herauf. »Drücken Sie den roten Knopf!« Charity sah nicht einmal die Tür wirklich, geschweige denn einen roten Knopf. Behutsam löste sie eine Hand von ihrem Halt und tastete mit gepreizten Fingern über die Wand neben der Tür. Nach Augenblicken ertastete sie einen rechteckigen Umriß und drückte entschlossen mit der ganzen Handfläche darauf. Ein hörbares Klicken erscholl - aber das war auch alles. »Sie geht nicht auf!« »Versuchen Sie es noch einmal! Die Notautomatik muß funktionieren! Und beeilen Sie sich!« Wie um die Worte des Mannes zu unterstreichen, drang aus der Liftkabine wieder ein kurzer, hämmernder Feuerstoß herauf. Ein furchtbarer Schlag, der die Liftkabine im nächsten Augenblick traf, ließ den gesamten Liftschacht erbeben. Aus dem Schalter neben der Tür drang ein hörbares Klicken, und die Aufzugtüren glitten auf. Mit einem erleichterten Seufzen schwang sich Charity aus dem Liftschacht. Vor der Tür sank sie auf die Knie herab und blieb sekundenlang mit geschlossenen Augen sitzen, um Atem zu schöpfen, ehe sie es wagte, den Kopf zu heben und sich umzusehen. Sie befand sich im Inneren eines der kleinen Gebäude von Krämers Höhlenstadt. Draußen erklangen Schreie, und manchmal erscholl das Echo einer schweren Explosion. Langsam, ihre zerschundenen Hände unter die Achseln gepreßt, stand sie auf und ging zur Eingangstür des Gebäudes. Behutsam öffnete sie sie einen Spaltbreit und spähte hinaus. Die Höhlenstadt befand sich in heller Aufregung. Das Heulen der Sirenen war längst verstummt, aber der gewaltige unterirdische Dom hallte wider von den Schritten Hunderter von Männern, die scheinbar ziellos hin und her hasteten, sich Befehle zuschrien oder den Ausgängen entgegenstrebten. Charity sah, daß sich vor dem Tunnel zum Landeplatz eine gewaltige Stahlplatte herabgesenkt hatte. Die Türen der meisten Gebäude standen offen und entließen Männer ins Freie. In einer der großen, fensterlosen Hallen hatte sich ein gewaltiges Tor geöffnet, aus dem hintereinander ein halbes Dutzend riesiger, stählerner Ungetüme herausrollte: Panzer, wie Charity und Skudder sie schon in Paris gesehen hatten. Sie hörte ein Geräusch, drehte sich herum und erkannte Skudder, der geschickt an der Stahltrosse emporgeklettert kam, so schnell und scheinbar mühelos, daß Charity ein absurdes Gefühl von Neid empfand. »Alles in Ordnung hier oben?« fragte Skudder schwer atmend. Charity nickte. »Ja. Aber ich weiß nicht, wie lange noch.« Sie fuhr erschrocken zusammen, als ihr Blick auf Skudders zerschundene Hände fiel, »O verdammt, wie sehen deine Hände aus?« Skudder blickte einen Herzschlag lang mit gerunzelter Stirn auf seine Hände herab. Zwischen Fett und Öl schimmerte helles Blut. Schließlich zuckte er mit den Schultern und rieb sich die Handflächen an den Hosenbeinen sauber. Dann kam Net heftig keuchend und am Ende ihrer Kraft den Schacht herauf, und kurz nach ihr einer der beiden Soldaten. »Wo ist ihr Kamerad?« fragte sie, als der junge Mann erschöpft neben der Lifttür zusammenbrach. »Er ... kommt nach«, keuchte er. »Irgend etwas ... ist durch die Tür gekommen. Er ... wollte es aufhalten.« Charity tauschte einen erschrockenen Blick mit Skudder, beugte sich in den Liftschacht - und fuhr so hastig wieder zurück, daß sie Skudder beinahe von den Füßen gerissen hätte. An dem Drahtseil kletterte eine Gestalt hinauf. Aber es war nicht der Soldat, sondern ein Ameisenkrieger. Neben ihr schrie der Hopi überrascht auf, packte aber im gleichen Moment gedankenschnell die Waffe des Soldaten und gab einen Feuerstoß in den Liftschacht ab. Es war nicht zu erkennen, ob er traf, aber aus dem Schacht drang ein wütendes Zischeln und Pfeifen herauf, und plötzlich begann das Stahlseil zu vibrieren. Ein dürres, vielgelenkiges schwarzes Bein erschien in der Tür und versuchte sich festzuklammern. Skudder drehte die Maschinenpistole herum und schlug mit dem Kolben zu. Das Bein verschwand, aber eine halbe Sekunde später tauchte ein glotzendes Augenpaar in der Öffnung

Weitere Kostenlose Bücher