Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
eintreffen. Wissenschaftler, Techniker, Agronomen – das ganze Spektrum. Die Siedlung wird sich rasant vergrößern. Alles wird sich wandeln. Man wird eine ganz neue Organisation brauchen.« Er verschränkte die Arme. »Mit anderen Worten, jetzt, da der Mars nicht mehr länger Abstellplatz für unliebsame Föderationsbeamte ist, hat der Gedanke zu bleiben durchaus etwas Reizvolles. Zumal sich die Sache mit der Anklage erledigt hat.
»Aber Statthalter wirst du nicht mehr werden.«
»Das nicht, aber überleg mal: Es wird auf dem Mars bald sowieso keinen Statthalter mehr geben. Für das, was hier entsteht, braucht man eine Siedlungsleitung, die von den Leuten hier gewählt ist, nicht eine, die irgendein Bürokrat festlegt. Spätestens, wenn eine Besiedlungsgröße erreicht ist, die einen eigenen Wahlbezirk erforderlich macht, wird man dem Mars einen eigenen Sitz im Senat geben müssen.« Tom Pigrato grinste listig. »Und wer von allen Bewohnern des Mars hat die meiste Erfahrung mit der Politik auf der Erde? Hmm?«
»Die Pläne, die Präsident Nayanar für den Mars verkündet hat, hören sich fast genauso an wie die von Präsident Sanchez damals«, meinte James Faggan schmunzelnd. »Hunderttausend Einwohner. Errichtung einer Stadt unter einer Schutzkuppel. Auch das mit der Schnellbahn, dieser Plastikröhre, die sie bis zum Löwenkopf legen wollen – das haben wir doch alles schon mal gehört, oder?« Er hatte die Hand im Haar seiner Frau, wickelte eine Locke um seinen Finger. »Curly.«
Sie waren zu zweit, lagen im Wohnzimmer auf dem großen Sofa beisammen. Carl und Elinn waren fort, zu einer Verabredung, über die sie nichts weiter hatten sagen wollen. Genau wie früher. Nur dass die Kinder so viel älter waren.
Die letzten Wochen waren anstrengend gewesen für James Faggan, den Wiedergefundenen. Unzählige Male hatte er Ärzten und Wissenschaftlern Rede und Antwort stehen müssen, hatte jede noch so kleine Erinnerung an die Zeit seines »wachen Schlafes«, wie er es nannte, hervorgekramt und beschrieben, so gut er es konnte. Ob man daraus irgendwelche Erkenntnisse gewinnen würde? Niemand wusste es.
Seine Frau rekelte sich genüsslich. »Bestimmt haben sie einfach die alten Pläne wieder aus der Schublade geholt, ein bisschen überarbeitet und fertig war die Laube.«
»Bestimmt. Würde mich nicht wundern, wenn demnächst auch wieder von Terraforming die Rede ist.«
»Das glaube ich kaum. Dazu wissen wir inzwischen zu viel«, meinte Christine Faggan, die als stellvertretende Bauleiterin an der Umsetzung aller Pläne maßgeblich beteiligt sein würde. »Beispielsweise reicht das erschließbare Wasser auf dem Mars maximal für eine Million Menschen. Punkt. Das setzt der ganzen Sache schon mal Grenzen. Dann die Mengenbegrenzung der Passage – mehr als zehn, elf Tonnen pro Tag sind nicht zu schaffen. Das ist nicht viel; für eine Marsstadt mit hunderttausend Einwohnern. Die Raumschiffe wird man also ganz bestimmt nicht abschaffen können.«
»Hunderttausend Einwohner«, wiederholte James Faggan. »Ich weiß nicht. Mir gefiel es ganz gut, so ruhig und lauschig. Was meinst du? Wenn es uns hier zu voll wird, ziehen wir einfach weiter, den nächsten Planeten erschließen.«
»Wenn du versprichst, mich nie wieder acht Jahre lang allein zu lassen«, sagte Christine Faggan, »bin ich dabei.«
»Das haben wir jetzt davon«, grollte Ronny, während er die alten Sachen aus dem Spind in eine Holzkiste packte. »Da entdeckt man außerirdische Lebewesen und rettet die Marssiedlung und was ist der Dank? Dass wir unser Versteck hergeben müssen.«
So war es. Es hieß Abschied nehmen von der alten Station, dem Geheimversteck ihrer Kindertage. Dass man es im Zug der neuen Erweiterungspläne ohnehin entdeckt hätte, war nur ein schwacher Trost.
»Es ist nun mal eine historische Stätte und so weiter«, sagte Ariana. »Die werden ein Museum draus machen. Ist doch toll. In dem werden wir auch vorkommen, denk mal!«
»Außerdem kriegen wir ein neues Versteck«, fügte Carl hinzu. »Ich habe schon mit meiner Mutter gesprochen. Sie wird im Bauabschnitt III was in die Pläne reinmogeln, sodass wir wieder Räume kriegen, zu denen nur wir den Zugang kennen.«
»Und deine Mutter«, sagte Urs.
»Die kann Geheimnisse für sich behalten. Hat sie ja bewiesen.«
Ronny schmollte weiter. »Das ist nicht mehr dasselbe. Außerdem redet ihr alle sowieso bloß noch von der Erde, vom Studierengehen und so weiter …«
»Ich war jetzt einmal
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