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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Figur aus Elefantenholz, und seine matten Augen spiegelten die ganze Humorlosigkeit seines Wesens wider.
    Im Vergleich zu ihnen, fand Archelaos, war er der Einzige, der den Titel Prinz verdiente.
    »Moment«, rief Herodes. »Einer von euch fehlt. Alle meine Söhne sollten hier sein, um mir zu danken und sich mit uns zu freuen. Archelaos, wo ist Theudion?«
    Archelaos war froh, dass sein Vater endlich ein anderes Thema gefunden hatte. Es lag ihm nicht, lange über ernste Dinge zu reden. Bei den Reichen und Edlen in Rom gab es ein Spiel, wonach derjenige, der als Erster ein ernstes Thema zur Sprache brachte, drei Becher Wein nacheinander und ohne abzusetzen trinken musste. An den hunderten geselligen Abenden war ihm diese Strafe nur ein einziges Mal auferlegt worden. Jemand hatte ihn gefragt, welche Späße es am Jerusalemer Hof gebe, woraufhin er in ein allzu langes Lamento über die Freudlosigkeit des dortigen Hoflebens verfiel. »Früher war mein Vater ein lustiger Mensch«, erklärte er seinen Freunden, »der jede Woche wenigstens zwei Feste gab, und alle seine Kinder durften bis spät in die Nacht daran teilnehmen, so jung sie auch waren. Meine Familie machte Ausflüge, zum Beispiel zu den blühenden Gärten Jerichos, wo ich und meine acht Geschwister Faltern nachjagten und auf Ölbäume kletterten, oder zum See Genezareth, wo mein Vater Herodes selbst, bis zu den Knien im Wasser stehend, Netze auswarf und Fische fing. Doch eines Tages ließ er meinen ältesten Bruder auspeitschen und befragte ihn nach einer angeblichen Verschwörung. Obwohl mein Bruder nichts zu sagen wusste, peitschte man weiter und weiter. Bis er starb. Und danach war nichts mehr wie vorher. Unser Leben wurde eng und …«
    »Haha, verloren«, unterbrach einer seiner Freunde lachend. »Du musst drei Becher Wein trinken. Du warst zu ernst.«
    Er trank sie, und danach gewöhnte er sich schnell an die römische Art zu leben, an Wein und Heiterkeit und lange Nächte, die ihn alles Gemeine und Schlechte vergessen ließen. Er sprach nie mehr über Jerusalem.
    Und jetzt, wo er sich wieder bei Hofe befand und seinen Vater ständig sah, hätte er am liebsten die Augen geschlossen, die Hände auf die Ohren gepresst und sich vorgestellt, im Kreis der lustigen Senatorensöhne zu sitzen. Das Leben an diesem Hof machte ihn ganz krank.
    Archelaos ergriff schnell die Möglichkeit, über seinen Bruder Theudion zu reden, und gewann ein wenig seine natürliche Heiterkeit zurück. »Ja, hast du es denn vergessen, Vater?«, schmunzelte er. »Theudion läuft wie ein Besessener durch die Gänge, krank vor Sorge, und sein Gesicht ähnelt mehr denn je dem eines Geiers, ganz eingefallen, nur die riesige Nase ragt unerschütterlich hervor. Ich habe ihn eben noch gesehen, kurz bevor wir uns hier wegen … nun ja«, beendete Archelaos seinen Redeschwall.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Herodes mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Wovon redest du, Kindskopf? Und hör auf zu grinsen, das ist ja nicht auszuhalten.«
    Archelaos trank einen weiteren Schluck Wein. »Theudions Frau, deine Schwiegertochter, Herodias … erinnerst du dich nicht?«
    Herodes sah angestrengt aus, so als fiele es ihm schwer, sich an Herodias zu erinnern. Sein Gedächtnis ließ merklich nach, und seine Familie war groß: Kinder aus neun Ehen, zahlreiche Schwiegerkinder, Neffen, Nichten, Enkel, Großneffen, Schwägerinnen … Fast jedes Jahr kam ein neues Mitglied hinzu und ein anderes ging. Frauen wurden geheiratet und wieder in die Wüste geschickt, Leben und Tod feierten gleichermaßen ihre Feste am herodianischen Hof, und selbst Archelaos hatte Mühe, diese vielen Namen und Nasen auseinander zu halten.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Herodes ungeduldig.
    »Sie liegt im Kindbett.«
    »Im …« Herodes stockte der Atem. Er stemmte sich langsam aus dem Thronschemel. »Heute? Wieso erfahre ich das erst jetzt?«
    Archelaos versuchte, dem Blick standzuhalten. Was hatte er denn nun schon wieder falsch gemacht? Es war schwierig für ihn, sich den plötzlich wechselnden Launen seines Vaters anzupassen. Aus Unsicherheit antwortete er auf die Weise, die er aus Rom kannte – mit einem Scherz.
    »Herodias ist Monate lang mit einem Bauch herumgelaufen, als habe sie drei Bälle und eine Gans verschluckt, und du, Vater, hast es nicht bemerkt?«
    Herodes blies die Backen auf. »Dass sie heute niederkommt, das, du bartloser Dummkopf, habe ich nicht gewusst. Weißt du denn nicht, was das möglicherweise bedeutet?

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