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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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einmal vier große Bier hinunter. Dann hatte er sich etwas beruhigt. Seine Blase drückte. Er ging aufs Klo. Plötzlich stand Pfeifenberger neben ihm. Der Cartoonist ächzte erleichtert. »Stell dir vor, du wärst eine Frau!«, sagte er.
    »Was soll denn das nun schon wieder?«, fuhr Schmalenbach ihn an.
    »Na ja, die Frauen sind nicht nur dümmer als wir, es entgehen ihnen auch einige Annehmlichkeiten des Lebens. Zum Beispiel müssen sie sich, wenn sie ihr Bier loswerden wollen, in einer Kabine einschließen …«
    »Das ist eine Frage der Zivilisation, Pfeifenberger! Ich sitze auch viel lieber.«
    »Das redest du dir bloß ein, Schmalenbach. Was ein richtiger Mann ist, der steht.«
    Schmalenbach wusch sich stumm die Hände und ging in den Schankraum zurück.
    Natürlich war Pfeifenberger sofort hinter ihm.
    »Stimmt’s, Elke hat auch so einen Aufkleber angebracht?«
    Schmalenbach schaute weg.
    »Weißt du, was ich getan habe, als Carola damit kam?«, fragte Pfeifenberger. »Ich habe das sitzende Strichmännchen dick durchgestrichen. Du hättest Carolas Gesicht sehen sollen …«
    Als Schmalenbach nach Hause kam, entdeckte er noch einen winzigen Rest des Klebers auf dem Spülkasten. Wieder kam die Wut in ihm hoch. Es war die Wut des Unschuldigen, dem etwas vorgeworfen wird, das ihm niemals in den Sinn käme. Schmalenbach schlug, während er saß, mit der Faust gegen den Spülkasten.
    Nachts träumte er von einer unübersehbaren Menschenmenge. Sie zog mit großen Transparenten und Lautsprecherwagen von der Uni in Richtung Hauptbahnhof. Nur Männer. Sie waren zornig. Zornige Männer, deren Frauen sie bezichtigt hatten, im Stehen zu pinkeln. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften präsent. Aber sie konnte nicht verhindern, dass die Demonstranten ihrer Wut freien Lauf ließen. Sie warfen Bauwagen um und zündeten am Messegelände, wo gerade die Intersanitär 2004 lief, einen Toilettenwagen an. Schmalenbach marschierte in der ersten Reihe. Plötzlich sah er, wie Elkes Gesicht voller Furcht hinter einer Gardine verschwand. Schmalenbach reckte die Faust – und musste dringend aufs Klo.
    Natürlich war nirgendwo ein Toilettenhäuschen. Und sich so einfach in eine Grünanlage stellen, das widerstrebte Schmalenbach. Lieber zog er sich einen Blasensprung zu. So war er nun mal – und in diesem Moment wachte er auf. Als er von der Toilette zurückkam, konnte er nicht mehr einschlafen. Er hatte ständig dieses sitzende Männchen vor Augen.
    Am nächsten Tag kam ein Brief von der Hausverwaltung. Die übliche Mieterhöhung, dachte Schmalenbach noch. Er riss den Umschlag auf und erstarrte.
    »Haben sie uns gekündigt?«, fragte Elke entsetzt, als sie seinen Gesichtsausdruck sah.
    Halblaut und mit gebrochener Stimme las Schmalenbach vor: »Aufgrund einiger Vorkommnisse in unseren Wohnobjekten sehen wir uns gezwungen, unsere Mieter darauf hinzuweisen, dass die Unsitte, sich beim Wasserlassen nicht zu setzen, auf lange Sicht zu Korrosionsschäden an Heizkörpern und sogar zu Beeinträchtigungen an den Kacheln führen kann. Nach jüngster Rechtsprechung ist der Mieter dazu verpflichtet, auf der Toilette Platz zu nehmen. Dementsprechende Schäden an der Mietsache können nach einem Urteil des OLG Oldenburg auf den Mieter umgelegt werden.«
    Schmalenbach ließ den Brief sinken. »Eine Unverschämtheit!«
    »Nun reg dich nicht auf, das ist ein hektografiertes Schreiben, das geht an jeden Haushalt.«
    »Was ändert das?«
    »Die meinen nicht dich.«
    »Wen meinen sie denn, wenn nicht mich? Auf dem Umschlag steht meine Adresse.«
    »Sie meinen eben … alle Männer.«
    »Umso schlimmer, wenn diese Verbrecher automatisch jedem Mann unterstellen, er benehme sich wie ein Steinzeitmensch. Das ist ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht.«
    Das Telefon klingelte. Pfeifenberger. »Hast du auch diesen Brief erhalten, Schmalenbach?«
    »Ja, ich überlege gerade, ob ich nach Karlsruhe gehe.«
    »Den Weg kannst du dir sparen«, riet Pfeifenberger.
    »Die haben vor Monaten schon in einer ähnlichen Sache entschieden: gegen uns. Nein, es ist der Zeitpunkt gekommen, einen schweren Schritt zu tun. Ich habe mit Carola darüber gesprochen. Ich werde nie wieder im Stehen pinkeln. Die anderen konnten sich durchsetzen. Sie nehmen uns unsere Rechte. Voilà, ihr wollt, dass wir zu effeminierten Zwitterwesen werden. Das könnt ihr haben. Ich habe mein ›Playboy‹-Abonnement gekündigt. Als einer, der sich brav hinsetzt, könnte ich keinem Playmate mehr

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