Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
Vom Netzwerk:
los. Etwas Aufregendes. Etwas sehr Aufregendes, und das Geräusch des Hubschraubers kam näher. Sie konnte das Kreisen der Rotorblätter des Hubschraubers in der Magengrube spüren. Sie trat ganz ans Fenster und schaute in den Himmel hinauf. Dieser Hubschrauber musste gerade über dem Gebäude stehen. Die Fensterscheiben vibrierten, und die Fensterflügel schepperten gegeneinander. Sie lief den breiten Stiegenaufgang hinunter. Lief zur kleinen Tür. Die Tür stand offen. Die Türklinke lag am Boden. Sie hob sie auf und zog die Tür hinter sich zu. Im Gang zum Turnsaal. Durch diese Fenster konnte sie nichts sehen. Sie lief den Gang hinunter. Der Hubschrauber schien nun links zu landen. Auch hier klirrten die Fenster, und Staub rieselte von der Decke. Alles vibrierte. Der Lärm durchdrang alles. Sie fühlte sich leicht. Als könnte sie in diesem Lärm sehr hoch springen. Fliegen vielleicht. Sie lief lachend zum Umkleideraum. Aber dann war ihr der Mantel gleichgültig. Sie probierte die Tür zum Turnsaal. Die Tür ließ sich öffnen. Sie hatte recht gehabt. Es war ein regulärer Turnsaal. Die Seile an Schnüren hinaufgezogen an der Decke unter den vergitterten Leuchtröhren. Sprossenwände rundum. Sie lief auf die andere Seite und kletterte eine Sprossenwand hinauf und schaute durch eines der Fenster hoch oben auf dieser Seite. Aber hier passierte nichts. Schnee und der Betonzaun weit hinten mit den Peitschenleuchten und den Glasscherben obendrauf. Dann gleich wieder Felder. Sie stieg hinunter. Der Lärm des Hubschraubers nun so dröhnend und heftig, als landete er im Turnsaal. Der Boden unter ihren Füßen bebend. Sie lief zurück auf die Seite beim Eingang und stieg hier hinauf. Durch diese Fenster sah man auf den schmalen Gang hinunter und auf die großen Fenster des Gangs, und wieder versperrte das Rissglas die Sicht. Ein riesiger Schatten verdunkelte die Sicht. Sie hätte schreien können vor Vergnügen über dieses Chaos, in das der Hubschrauberlärm alles warf. Aber was da geschah. Was vor sich ging. Es war nicht auszumachen. Sie konnte nichts sehen. Sie stieg hinunter. Hüpfte von der Sprossenwand weg und schaute sich um. Hier gab es keine Türen mehr. Es gab nur diese eine vom Gang her. Der Hubschrauberlärm hing im Raum und hatte kaum Platz. Sie rannte auf den Gang. Hier war eine Tür. Ganz am Ende. Aber es war gleich zu sehen. Diese Tür war seit langem nicht geöffnet worden. Sie rüttelte an dem Metallbalken, der quergespannt die Tür absicherte. Der brüchige Lack zerkratzte ihr die Hände. Lackfetzchen und Staub rieselten zu Boden. Es war sinnlos. Sie stampfte mit dem rechten Bein auf und begann zu schreien. Sie hielt sich die Ohren zu und schrie. Es war wunderbar. Ihr Schreien verhallte im Dröhnen des Hubschraubers im Hof draußen. Sie trampelte auf der Stelle und schrie. Dann lief sie in den Turnsaal zurück und begann sich zu drehen. Schreiend hielt sie die Tasche in der rechten Hand und schwang die Tasche im Kreis, bis sie von der Tasche gezogen im Kreis gedreht wurde. Sie musste zu schreien aufhören und lachen. Sie musste sich zu drehen aufhören. Vom Schreien war ihr Hals trocken. Sie hustete. Lachte. Hustete. Sie setzte sich auf den Boden. Der Hubschrauberlärm war einen Augenblick noch stärker. Sie fühlte die Vibrationen zwischen den Beinen. Sie streckte die Beine aus und drückte die Scheide gegen den Boden. So sitzend fischte sie den Flachmann aus der Tasche. Wenn sie ordentlich ihre Übungen machen würde, hätte sie im Spagat sitzen können und hätte den ganzen Hubschrauber so spüren können. Sie schraubte die Flasche auf und trank. Sie musste den Bauch nach vorne durchstrecken, damit die Scheide so auf dem Boden aufgepresst blieb, und den Kopf nach hinten legen, damit sie trinken konnte. Sie saß trinkend in diesem alles erfüllenden Lärm und bekam ihn über ihre Schamlippen in den Körper signalisiert. Sie war der Lärm, und sie dachte mit dem Wodka mit. Wie er in sie hineinrann und vom Lärm ins Vibrieren mitaufgenommen wurde. Der Hubschrauber dröhnte auf. Noch eine Steigerung, und dann zog sich alles zurück. Die Vibrationen waren sofort weniger. Kleiner. Entfernter. Leiser. Sie zog die Beine an. Verschloss den Flachmann. Steckte ihn in die Tasche zurück. Sie stand auf. Sie brauchte die Sprossenwand dazu. Ganz kurz ging das mit dem Gehen überhaupt nicht. Sie musste lachen. Sie stand da. Hielt sich mit der linken Hand an einer Sprosse fest und sah sich selbst baumelnd dastehen.

Weitere Kostenlose Bücher