Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
einem Kollegen vor dem Haus stehen.«
Riku verabschiedete sich, überließ den Platz hinter dem Steuer wieder dem Streifenbeamten und wechselte in den Audi seines Vorgesetzten.
Der grauhaarige Mann im Leinenjackett hatte seinen SUV am Rand des Platzes geparkt. Er hörte dem Trommeln des Regens auf dem Wagendach zu und rieb gedankenlos den Ring an seinem Finger. Durch die leicht beschlagenen Scheiben blickte er auf das Polizeiauto, in das Elina Aro gebracht worden war. VorKurzem war ein jüngerer, kräftig gebauter Mann mit kurzen Haaren eingetroffen. Er war zuerst in die Wohnung hinaufgegangen und hatte sich dann zu Elina Aro in den Streifenwagen gesetzt.
Jetzt stieg er wieder aus und ging zu dem davor geparkten Audi. Ein Polizist nahm seinen Platz ein, und kurz darauf fuhr der Wagen los.
Der grauhaarige Mann startete den sanft schnurrenden Motor und folgte dem Polizeiauto, in dem Elina Aro saß.
4
»Wir haben es hier doch mit einem unbekannten Täter zu tun?«, fragte Kriminaloberkommissar Markku Jalava, während er seinen mit Lederpolstern ausgestatteten Audi lenkte. Jalava trug einen Anzug und eine weinrote Krawatte.
»Na klar«, antwortete Riku. »Leider kann sich Elina Aro nicht an das Gesicht des Mannes erinnern, obwohl sie es ganz kurz gesehen hat. Schockreaktion. Kann sein, dass es ihr später einfällt.«
»Dann ist der Täter längst über alle Berge beziehungsweise in den Steppen des Ostens. Dies ist nur einer von vielen Journalistenmorden«, sagte Jalava. »Aber warum musste er ausgerechnet in Finnland geschehen?«
Riku versuchte seine Gedanken zu ordnen. Hektisch schoben die Scheibenwischer das Wasser von der Windschutzscheibe. Ein gewaltiger Regenschauer hämmerte aufs Autodach.
»Möglichkeiten gibt es viele«, meinte Riku, »zu viele, in diesem Stadium. Ist der Täter ein Russe oder ein beauftragter Finne? Letzteres scheint mir ziemlich unwahrscheinlich zu sein. Auf jeden Fall ist Vera Dobrina sehr vielen Leuten auf die Füße getreten. Auch den Oligarchen. Vor einigen Monaten hat sie einen Artikel über die Drogenmafia von Sankt Petersburg veröffentlicht, in der ehemalige KGB-Leute aktiv sind. Darüber habe ich am Dienstag mit ihr gesprochen.«
»Es wundert mich, dass du mit einer russischen Dissidentin redest.«
Riku hielt es nicht für nötig, auf eine so überflüssige Bemerkung zu reagieren. »Mich interessiert besonders die Tatsache, dass der Täter ihren Computer mitgenommen hat«, sagte er stattdessen. In dem Moment meldete sein Handy den Eingang einer SMS. Riku angelte das Gerät aus der Tasche und las:
Wir müssen reden. Bald.
Unverzüglich löschte er die Mitteilung, die Mira ihm geschickt hatte.
»Elina Aro hat gesagt, Frau Dobrina habe behauptet, sie wisse, wer aus dem Umfeld von Expräsident Koivisto damals geheime Informationen an Vertreter eines fremden Staates weitergeben hat«, sagte er.
Jalava sah ihn überrascht an. »Willst du damit andeuten, dass du diesem Aspekt im Rahmen der Ermittlungen Bedeutung beimessen wirst?«
»Ich habe nur wiedergegeben, was sie gesagt hat.«
»Unfug. Ich hatte eigentlich vor, dich für die Ermittlungskommission zu benennen, aber nun muss ich an deinem Urteilsvermögen zweifeln. Das Urteilsvermögen von Frau Aro kennt man ja.«
Riku wusste, worauf sein Chef anspielte. Elina Aro hatte in Oxford studiert, und ihre Ansichten widersprachen bei vielen Themen dem finnischen Konsens. Durch das Vermögen ihres Vaters, der seine Anteile an einer großen Baufirma verkauft hatte, war sie unabhängig und musste sich nicht anpassen, um Forschungsstipendien zu erhalten.
»Ich würde mich sehr gern aus diesem Fall raushalten«, erklärte Riku. »Wir haben in Kannelmäki Fortschritte gemacht, wir sind dem Durchbruch einen Schritt näher gekommen.«
»Das hier ist jetzt wichtiger«, erwiderte Jalava. »In letzter Zeit hat es zwischen Finnland und Russland schon oft genug Auseinandersetzungen gegeben, wegen finnisch-russischer Ehen, in denen es zum Sorgerechtsstreit gekommen ist. Sie haben sogar einen kinderlieben KGB-Offizier hergeschickt, umzu erklären, wie man sich um kleine Kinder kümmert. Was wird dann erst nach einem Fall wie diesem hier passieren? Wir wissen nicht, wo das alles hinführt und für welche Zwecke man den Mord an Vera Dobrina benutzen wird. In der Ermittlungskommission brauchen wir einen Polizisten, der Russland kennt, die Sprache spricht und eine persönliche Beziehung zu dem Land hat. Über kurz oder lang wird die SiPo mit
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