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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Direktor Dr. Sassen bei der letzten Besprechung gesagt. »Schließlich bekommen sie saubere Zimmer, Toiletten, Waschräume, einen Aufenthaltsraum, gute Betten … so haben die Brüder noch nie in ihrem Leben gewohnt. Wichtig scheint mir fürs erste zu sein, den Zaun zu belassen. Sie kennen unsere jungen Burschen, meine Herren, und wir kennen die Mentalität der Sonnensöhne, für die ein Rock das Signal zum Angriff ist!«
    In der letzten Reihe der 120 Italiener stand auch Luigi Cabanazzi. Er war der einzige, der nicht direkt aus Sizilien kam. In München war er zu dem Transport gestoßen, mit ordentlichen Papieren. Man nahm ihn mit, weil gerade in München sich ein unliebsamer Zwischenfall ereignet hatte. Bei dem sechsstündigen Aufenthalt auf dem Hauptbahnhof bis zur Weiterfahrt nach Gelsenkirchen war der Italiener Giulio Bosco verschwunden. Man hatte gesehen, wie er durch die Sperre gegangen war. Zurück kam er nicht. Man nahm an, daß er in München untertauchte und war froh, als sich Luigi Cabanazzi meldete und den Transport von 120 Mann wieder vervollständigte.
    Nun stand Cabanazzi auf dem Hof der Zeche Emma II und sah sich um. Schon während der Fahrt durch Buschhausen hatte er Dinge gesehen, um die er sich kümmern wollte … ein Geschäft mit schönen Anzügen, eine Wirtschaft mit dem Namen ›Onkel Huberts Hütte‹, ein Kino, in dem man einen Film von Vittorio de Sica spielte, und einige schöne Mädchen auf hochhackigen Schuhen, die in Cabanazzi ein kribbeliges Gefühl erzeugten.
    Das Leben kann schön sein, dachte er und lächelte versonnen. Ich werde dafür arbeiten müssen, sicherlich … aber die Stunden des dolce far niente würde man ausfüllen mit der Süße des Lebens, die sich einem auftut, wenn man schwarze Locken hat, dunkle, sprechende Augen und einen Mund, der zärtlich sagt: O bella bionda …
    Genau zwei Stunden später, wie es Dr. Pillnitz vorausgesagt hatte, wurden die neuen Kumpels von Schacht V zum Krankenrevier geführt.
    Die Stimmung war merklich gesunken. Die ersten Proteste waren bereits verhallt, die ersten Auseinandersetzungen mit gestenreichen Gebärden überstanden. Da waren zunächst die Baracken mit den Zimmern, in denen zehn Mann schlafen mußten. Und da war der verfluchte Stacheldrahtzaun, den man nicht übersehen konnte. Und dann die Küche – o mama mia! – undenkbar, daß man darin Spaghetti oder gar eine gute Pizza zubereiten konnte. Das waren Kessel für deutsche Erbsensuppe, aber nicht für Makkaroni oder eine schöne Pasta al brodo. Alles in allem aber … es war besser als in der verfallenden Hütte von Postamente am Meer, wo die Ziege neben dem Bett lag und die Hühner auf dem Tisch herumspazierten. Und außerdem hatte die Zechenleitung versprochen, alles noch zu verbessern. Für den Anfang ließ es sich leben. Auch Gott hat die Welt nicht in einem Tag erschaffen.
    »An die Gewehre!« sagte Dr. Pillnitz, als sich das Wartezimmer mit dem ersten Schub füllte. »Ich gehe mal raus und lasse die den Oberkörper freimachen. Ich nehme an, daß Ihnen die Herz-Lungen-Untersuchung am angenehmsten ist. Das andere mache ich denn schon.«
    »Wenn Sie nur nicht so viel und so dumm reden würden, Bernhard.« Dr. Waltraud drückte sich die beiden Enden des Membranstethoskops in die Ohren.
    Dr. Pillnitz verließ das Untersuchungszimmer. Durch die angelehnte Tür hörte Waltraud mit Verwunderung, daß er seine Anweisungen auf Italienisch gab. Dann raschelten Kleidungsstücke, Füße schabten, Gemurmel und einmal ein Lachen waren zu vernehmen.
    Dr. Pillnitz kam zurück. Ihm folgten die ersten zehn mit nacktem Oberkörper, die meisten mit den Händen ihre Hosen festhaltend. Schmächtige, knochige Gestalten, an denen man die Rippenbögen abzählen konnte wie Leitersprossen. Dünne Hälse, hervorstechende Schulterblätter. Menschen, die wußten, was hungern heißt. Dr. Pillnitz ließ sie sich an der Wand aufstellen.
    »Die ersten Adonisse!« sagte er. »Waltraud, wem reichen Sie den goldenen Apfel?!«
    »Prego!« sagte sie kurz und winkte dem ersten Italiener. Es war Luigi Cabanazzi. Er stand an der Wand und ließ keinen Blick von Dr. Waltraud Born. Ihm schien, als habe er noch nie ein so schönes Mädchen gesehen. Lange, blonde Haare, unter dem weißen Arztkittel der Körper einer Venus, lange, schlanke Beine, das Gesicht einer Madonna … für Cabanazzi begann die Welt zu leuchten, und je heller es um ihn wurde, desto heißer pulste ihm das Blut durch die Adern.
    Waltraud winkte

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