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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine Umgebung inspizierte. Es war seine Angewohnheit, jeden neuen Ort, an den er kam, erst genau zu untersuchen, so wie ein Hund eine fremde Gegend abschnüffelt, um alles kennenzulernen. Zweimal war ihm das schon von Nutzen gewesen und hatte ihn gerettet, aber das wußte man in Buschhausen nicht. Es war ein Geheimnis, das Cabanazzi mit sich herumtrug. Ein Geheimnis, das ihn zu größter Vorsicht mahnte und ihn immer auf der Hut sein ließ wie einen gejagten Wolf.
    Cabanazzi blickte von der Straße hinüber zu dem kleinen Siedlungshaus, das aussah wie alle Häuser in dieser stillen Straße. Ein spitzes, rot gedecktes Dach, ein Vorgarten, ein schmaler, langer Hintergarten, drumherum eine Hecke, ein paar Obstbäume, ein Kaninchenstall, im Dach eingelassen ein Taubenschlag. Alles zusammen eine kleine, in sich abgeschlossene, saubere, glückliche Welt. Das Besondere aber dieses Hauses war das Aufleuchten von blonden Haaren in der Sonne; es war ein Anblick, der Cabanazzi sofort zum Bremsen reizte. Er schob das Rad an den Gartenzaun, hob sich auf die Zehenspitzen, blickte über die Hecke und zeigte sein schönstes Lächeln.
    »Buon giorno«, sagte er und winkte. »Schönes Tag heute.«
    »Ja.« Hans Holtmann hielt die Pfeife mit den Zähnen fest und suchte nach der Sonntagszeitung, um so zu demonstrieren, daß er an einer Unterhaltung nicht interessiert sei. Cabanazzi aber fuhr fort, Barbara Holtmann anzustrahlen. Wie schön, dachte er. Wie jung. Wie wundervoll blond. Und wenn sie lacht, wie jetzt, hat sie ein Grübchen in der linken Wange.
    Er wandte den Blick von Barbara ab und sah Elsi Holtmann an. »Buon giorno, signora«, sagte er höflich. »Nicht weggehen bei schönes Wetter?«
    »Nein!« sagte Holtmann laut, ehe Elsi antworten konnte. »Was wollen Sie?«
    »Isch Luigi Cabanazzi …«
    »Da haben Sie aber Glück gehabt …«
    »Bittä?«
    »Aber Vater!« Barbara legte den Blumenkohl auf den Tisch. »Er ist doch so nett …«
    Hans Holtmann blies in seine Pfeife und erhob sich von der Gartenbank. Langsam kam er auf die Hecke zu und blieb zwei Meter vor Cabanazzi stehen.
    »Noch was?« fragte er mit deutlichem Knurren. Luigi Cabanazzi winkte Barbara zu und setzte sich auf sein Rad.
    »Schönes Tag noch!« rief er. Sein braunes Gesicht unter den schwarzen Locken leuchtete, als könne es das Sonnenlicht speichern. »Schönes Sonntag …«
    Hans Holtmann trat erst wieder vom Zaun zurück, nachdem Cabanazzi um die Ecke gebogen war. Er sah seine zwei Frauen verschlossen und wütend am Tisch sitzen und weiter Gemüse putzen.
    »Du hast dich unmöglich benommen, Vater!« sagte Barbara, als Holtmann brummend seine Zeitung aufschlug. »Er hat dir gar nichts getan!«
    »Und höflich war er auch!« Elsi Holtmann begann mit dem Kartoffelschälen. »Davon könnte mancher sich eine Scheibe abschneiden.«
    »Prost Mahlzeit!« Holtmann stand auf und ließ die Zeitung auf den Tisch fallen. »Ich geh in'n Schlag. Die Tauben quatschen wenigstens nicht.«
    Der Sonntagvormittag war ihm verdorben. Nach dem Essen gehe ich zu Lorenz, dachte er, und trinke mir einen an. Kaum sehen die Weiber einen schwarzen Lockenkopf, stellen sie sich auf dessen Seite. Das kann ja lustig werden in Buschhausen, wenn bald 350 von dieser Sorte herumrennen. Darum sollte sich mal die Gewerkschaft kümmern, und nicht nur um die Beiträge!
    Er stieg hinauf unters Dach und öffnete den Taubenschlag. Hans Holtmann war bekannt als einer der besten Taubenzüchter rund um Gelsenkirchen.
    Der Morgenkaffee wurde auf der Terrasse unter der weit ausgezogenen, orangefarbenen Markise serviert. Weiß lackierte französische Gartenmöbel mit dicken, buntgeblümten Polstern leuchteten in der Sonne. Der parkähnliche Garten lag in tiefer Sonntagsruhe, auf dem frischgrünen Rasen drehten sich lautlos zwei Rasensprenger. Das Hausmädchen Erna hatte den Kaffee bereits auf die Warmhalteplatte gestellt und wartete nun auf das Erscheinen der Familie Sassen.
    Die Villa des Zechendirektors Dr. Sassen lag etwas außerhalb Buschhausens in einem aufgeforsteten Haldengelände. Die künstlichen Hügel mit den Birken und Fichten, Nußbüschen und Buchenheistern erzeugten die Illusion einer reizvollen, fast romantischen Mittelgebirgslandschaft. Wenn man aber auf den Kuppen der grünen Hügel stand, zerstob die Illusion. Der Blick schweifte über das Zechenland … Hallen, Ziegelbauten, Kokereien, Fördertürme, Wetterschächte, Schornsteine, Siebereien und Verladerampen, Schuttplätze und

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