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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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gewesen. Man hätte ihn eher losgeschickt, um auf Bäume zu klettern und das Obst herunterzuschütteln. Sammler halt. Nervös und feinfühlig. Und was weiter? Feinfühligkeit brauchte man. Keine Kohle mehr. Es blieben ihm seine Ringe, vier breite Silberringe, von denen zwei mit ein paar Goldfäden durchzogen waren, auffallende und komplizierte Ringe, halb afrikanisch, halb karolingisch, die die Finger seiner linken Hand umschlossen. Sicher hatte ihn seine Frau wegen eines Typen mit breiteren Schultern verlassen, ganz sicher. Und sicher war der auch dümmer. Sie würde es eines Tages merken, damit rechnete Marc. Aber dann wäre es zu spät.
    Mit einer raschen Handbewegung löschte Marc seine gesamte Zeichnung aus. Er hatte seine Statue vermurkst. Ein Anfall von Wut. Immer wieder diese plötzliche Wut und jähzornige Ohnmacht. Es war leicht, sich über Mathias lustig zu machen. Aber er selbst? Was war er anderes als einer dieser dekadenten Mediävisten, dieser eleganten, grazilen und zähen kleinen Braunhaarigen, ein Prototyp dieser Erforscher des Unnützen, ein Luxusprodukt mit zerschlagenen Hoffnungen, das seine vermurksten Träume an ein paar Silberringen aufhängte, an Visionen aus dem Jahr Tausend, an Bauern, die den Pflug führten und seit Jahrhunderten tot waren, an einer vergessenen romanischen Sprache, für die sich niemand interessierte, an einer Frau, die ihn sitzengelassen hatte? Marc hob den Kopf. Auf der anderen Straßenseite sah er eine riesige Autowerkstatt. Marc mochte keine Autowerkstätten. Sie stimmten ihn trübsinnig. Von dort, an der Mauer der Autowerkstatt entlang, kam mit ruhigen, großen Schritten der Jäger und Sammler auf ihn zu. Marc lächelte. Mathias erschien zu der Verabredung. Noch immer blond, das Haar zu widerspenstig, um ordentlich gekämmt zu sein, mit seinen ewigen Ledersandalen, die Marc haßte. Noch immer nackt unter seiner Kleidung. Niemand wußte, wie Mathias es schaffte, den Eindruck zu erwecken, daß er nackt war unter seiner Kleidung. Pulli auf der bloßen Haut, Hose über den bloßen Schenkeln, Sandalen an den bloßen Füßen.
    Jedenfalls trafen sie – der eine bäurisch, der andere elegant, der eine breit, der andere schmal – in einem dreckigen Café an einem Tisch zusammen. Was besagt, daß das gar nichts miteinander zu tun hat.
     
    »Du hast deinen Bart abgenommen?« fragte Marc. »Machst du keine Ur- und Frühgeschichte mehr?«
    »Doch«, erwiderte Mathias.
    »Wo?«
    »Im Kopf.«
    Marc nickte bedächtig. Man hatte ihn nicht belogen, Mathias saß in der Scheiße.
    »Was hast du mit deinen Händen gemacht?«
    Mathias betrachtete seine schwarzen Fingernägel.
    »Ich habe als Mechaniker gearbeitet. Man hat mich rausgeschmissen. Sie haben gesagt, ich hätte kein Gefühl für Motoren. Ich hab in einer einzigen Woche drei Stück schrottreif gemacht. Motoren sind kompliziert. Vor allem, wenn man sie reparieren muß.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt verkaufe ich allen möglichen Ramsch, Plakate, an der Metrostation Châtelet.«
    »Bringt das was ein?«
    »Nein. Und du?«
    »Nichts. Ich war Schreiber in einem Verlag.«
    »Mittelalter?«
    »Liebesromane auf achtzig Seiten. Der Mann ist ein Raubtier und sehr erfahren, die Frau strahlend und unverdorben. Am Ende lieben sie sich wie verrückt, und man findet’s zum Kotzen langweilig. Die Geschichte sagt nichts darüber, wann sie sich trennen.«
    »Klar...«, sagte Mathias. »Hast du aufgehört?«
    »Ich bin entlassen worden. Ich hab in den letzten Korrekturabzügen noch Sätze geändert. Aus Verbitterung und weil es mich nervte. Sie haben es gemerkt... Bist du verheiratet? Gibt’s bei dir eine Frau? Hast du Kinder?«
    »Nichts«, sagte Mathias.
    Die beiden Männer lehnten sich zurück und sahen sich an.
    »Wie alt sind wir jetzt?« fragte Mathias.
    »Mitte Dreißig. Normalerweise ist man in dem Alter ein Mann.«
    »Angeblich ja. Hast du’s immer noch mit dem verdammten Mittelalter?«
    Marc nickte.
    »Bescheuert«, bemerkte Mathias. »Was das angeht, warst du nie vernünftig.«
    »Red nicht davon, Mathias, das bringt jetzt nichts mehr. Wo wohnst du?«
    »In einem Zimmer, das ich in zehn Tagen aufgebe. Mit den Plakaten kann ich meine zwanzig Quadratmeter nicht mehr behalten. Sagen wir mal, ich steige ab.«
    Mathias preßte seine Hände gegeneinander.
    »Ich zeig dir eine Baracke«, sagte Marc. »Wenn du mitmachst, überwinden wir vielleicht die dreißigtausend Jahre, die uns trennen.«
    »Und der Haken an der Sache?«
    »Weiß ich noch

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