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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Baums, dachte sie böswillig. Pierre hatte sogar die Mauer zwischen den Grundstücken höher machen lassen, um sich vor der Bruchbude zu schützen. Jetzt konnte man sie nur noch von den Fenstern des zweiten Stocks aus sehen. Der junge Typ schien die Fassade mit den kaputten Fenstern eher zu bewundern. Er war schlank, hatte schwarze Haare und war schwarz gekleidet, eine Hand starrte vor breiten Silberringen. Er hatte ein eckiges Gesicht, das er zwischen zwei Stäbe des rostigen Zauns klemmte.
    Exakt die Sorte Mensch, die Pierre nicht mochte. Pierre war ein Verfechter des Maßvollen und der Zurückhaltung. Und dieser junge Typ war elegant, ein bißchen prosaisch und ein bißchen protzig. Schöne Hände, die um die Gitterstäbe griffen. Sophia beobachtete ihn und empfand dabei einen gewissen Trost. Sicher war das auch der Grund, weshalb sie ihn fragte, was das dort hinten seiner Ansicht nach für ein Baum sei. Der junge Typ löste seine Stirn vom Gitter, das ein wenig Rost in seinem glatten schwarzen Haar zurückließ. Er mußte schon ein Weilchen dort an das Gitter gelehnt gestanden haben. Ohne Erstaunen, ohne Fragen zu stellen folgte er Sophia, die ihm den jungen Baum zeigte, den man von der Straße aus recht gut erkennen konnte.
    »Das ist eine Buche, Madame«, sagte der junge Typ.
    »Sind Sie sicher? Entschuldigen Sie, aber das ist sehr wichtig.«
    Der junge Typ sah noch einmal genau hin. Mit seinen dunklen, noch nicht freudlosen Augen.
    »Da gibt es keinerlei Zweifel, Madame.«
    »Ich danke Ihnen, Monsieur. Sehr freundlich von Ihnen.«
    Sie lächelte ihn an und ließ ihn stehen. Der junge Typ ging, mit der Fußspitze einen kleinen Stein vor sich her kickend, nun ebenfalls seiner Wege.
    Sie hatte also recht. Es war eine Buche. Nur eine Buche.
    Mist.

 
     
2
     
    Na bitte.
    Genau das heißt in der Scheiße stecken. Wie lange schon? Sagen wir mal zwei Jahre.
    Und dann, nach zwei Jahren Scheiße, plötzlich die Sache mit dem Licht am Ende des Tunnels. Marc kickte mit der Fußspitze einen Stein vor sich her und beförderte ihn sechs Meter vorwärts. Es ist nicht leicht, auf den Bürgersteigen von Paris einen Stein zu finden, den man vor sich her kicken kann. Auf dem Land schon. Aber auf dem Land ist einem der Stein egal. Während man es in Paris ab und zu braucht, einen ordentlichen Stein vor sich her kicken zu können. So ist das. Gerade vor einer Stunde hatte Marc das Glück gehabt, einen absolut korrekten Stein zu finden, kurzer Lichtblick in der Scheiße. Also kickte er ihn vor sich her und folgte ihm.
    Das hatte ihn bis in die Rue Saint-Jacques geführt nicht ohne einige Schwierigkeiten. Den Stein mit den Händen zu berühren war verboten, nur der Fuß war erlaubt. Also sagen wir zwei Jahre. Keine Stelle mehr, keine Kohle, keine Frau. Keine Besserung in Aussicht. Höchstens vielleicht diese Baracke. Gestern morgen hatte er sie entdeckt. Vier Stockwerke, wenn man den Dachstuhl mitzählte, ein kleines Gärtchen, in einer völlig abgelegenen Straße und in elendem Zustand. Überall Löcher, keine Heizung und das Klo im Garten, mit Holzriegel. Wenn man die Augen zusammenkniff, etwas Wunderbares. Wenn man sie wieder öffnete, ein Desaster. Allerdings wollte ihr Besitzer nur eine lächerlich geringe Miete dafür – unter der Bedingung, daß Marc das Ganze herrichtete. Mit der Baracke könnte er aus der Scheiße rauskommen. Und den Paten könnte er auch unterbringen. In der Nähe der Baracke hatte eine Frau ihn was Merkwürdiges gefragt. Was war das noch gleich? Ach ja. Nach einem Baum. Komisch, wie wenig die Leute von den Bäumen wissen, obwohl sie nicht ohne sie auskommen können. Im Grunde haben sie vielleicht recht. Er kannte sich zwar in Bäumen aus – aber wohin hatte ihn das gebracht?
    In der Rue Saint-Jacques kam der Stein aus der Bahn. Steine mögen keine ansteigenden Straßen. Er hatte sich in den Rinnstein verzogen, und das auch noch direkt hinter der Sorbonne. Schluß mit dem Mittelalter, adieu. Adieu Klerus, Adel und Bauern. Adieu. Marc ballte die Hände in den Taschen. Keine Stelle mehr, keine Kohle, keine Frau und kein Mittelalter. So was Fieses. Geschickt beförderte Marc den Stein aus dem Rinnstein wieder auf den Bürgersteig. Es gibt einen Trick, um einen Stein wieder auf den Bürgersteig springen zu lassen. Marc kannte ihn gut, so gut wie das Mittelalter, schien ihm. Bloß nicht mehr ans Mittelalter denken. Auf dem Land steht man nie vor der Herausforderung, einen Stein wieder auf den Bürgersteig

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