Der Tod hat einen Namen
1.
Pamela Lindsay ließ die letzten Klänge von Debussys `Clair de Lune` einem Hauch gleich durch die Royal Albert Hall schweben. Wie stets nach einem Konzert fiel es ihr schwer, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Sie hörte den brausenden Beifall, aber er klang nur wie von Ferne an ihr Ohr. Noch immer hielt sie die Musik gefangen, glaubte sie auf weichen Wogen durch das All zu gleiten.
"Du warst wundervoll, Darling", meinte Dr. Robin Graven, als er eine halbe Stunde später die Garderobe der jungen Künstlerin betrat. "Wie schaffst du es nur immer, dein Publikum so zu ge istern?" Er beugte sich über sie und küßte ihren Nacken.
Pamela begegnete seinem Blick im Spiegel. "Das war ich nicht alleine, Robin", meinte sie. "Das London Symphonie Orchester hat schließlich auch einiges zu meinem Erfolg beigetragen."
"Warum so bescheiden, Darling?" fragte der junge Rechtsanwalt. "Immerhin weiß ich, sich der Dirigent des Orchester darum bemüht hat, dich für einige Konzerte zu gewinnen. Eine berühmte Pianistin wie du, kann sich ihre Engagements aussuchen."
Pamela hatte sich abgeschminkt. Sie betupfte ihr Gesicht mit Hautcreme. "Es ist ein wundervolles Gefühl am Flügel zu sitzen und zu spielen", meinte sie. "Ich könnte mir nicht vorstellen, eines Tages darauf ve rzichten zu müssen."
Dr. Robin Graven nahm sich ein Glas Mineralwasser. "Ich würde dich gerne zum Essen ausführen, Pamela", sagte er. "Was hältst du davon?"
"Lieb von dir, Robin, aber ich bin sehr müde", erwiderte die junge Pianistin. "Mir wäre es lieber, du würdest mich heute abend einmal ausnahmsweise gleich nach Hause bringen. Ich fühle mich ziemlich abgespannt. Wahrscheinlich habe ich mich in letzter Zeit etwas übernommen."
"Gut, fahren wir nach Hause." Robin griff nach Pamelas leic hten Sommermantel und hängte ihn ihr über die Schultern. "Was ist mit den Blumen?" fragte er und ließ seinen Blick über die vielen Sträuße schweifen, die Pamela an diesem Abend bekommen hatte. "Willst du sie alle mitnehmen?"
"Es wäre schade, sie in der Garderobe zu lassen." Pamela nahm die Blumen aus den Vasen. Sie drückte sie Robin in den Arm. "Wie wäre es mit einem kleinen Nebenverdienst?" scherzte sie. "Du würdest eine prächtige Blumenfrau abgeben."
"Danke, aber ich bin mit dem, was ich als Partner bei Nagy und Megitt verdiene durchaus zufrieden." Innerlich seufzend trug Dr. Graven die Blumen zum Ausgang des Konzerthauses.
Pamela folgte ihm. Sie wechselte noch ein paar Worte mit den Mitgliedern des Symphonie Orchesters. Man lud sie und ihren Freund ein, den Abend mit einem Glas Sekt im Royal Roof au sklingen zu lassen, doch sie lehnte ab. Sie war wirklich müde, zudem schätzte ihr Freund derartige Einladungen nicht. Manchmal kam es ihr vor, als sei er sogar auf ihre Kollegen eifersüchtig.
Die junge Frau hatte sich vor einigen Jahren eine Penthouse-Wohnung nahe dem Kensington-Palast gekauft. Dr. Graven lebte ganz in der Nähe. Seiner Familie, die bei Cambridge ein großes Anwesenbesaß, gehörte auch ein Haus in London. Es stand ihm fast alleine zur Verfügung, da seine Eltern und seine Geschwister nur selten nach London kamen.
Der Portier rief ihnen ein freundliches `Guten Abend` zu, als sie die Halle durchquerten. Robin hielt für seine Freundin die Lifttür auf. "Ich bin gespannt, ob du nach dem Konzert in Windhaven wirklich einige Wochen Pause machen wirst", sagte er, während die Kabine lautlos nach oben glitt.
"Verlaß dich darauf, Robin." Pamela lächelte ihm zu. "Es fragt sich nur, ob du dann auch Zeit für mich haben wirst." Sie schmiegte den Kopf gegen seine Schulter. "Wie ich dich kenne, wirst du dich von morgens bis abends in Aktenbergen vergraben und selbst etwaige Verabredungen zum Lunch vergessen."
"Habe ich dich jemals vergessen?"
"Es war ja nur ein Scherz." Pamela richtete sich auf. "Es stimmt schon, wir haben in letzter Zeit nicht sehr viel voneinander g ehabt."
Dr. Graven nahm ihren Wohnungsschlüssel. "Wohin mit den Blumen?" fragte er, als sie die Wohnung betraten. "Soll ich sie in die K üche bringen?"
"Ja, leg sie auf die Anrichte. Ich werde mich gleich darum kümmern", erwiderte Pamela. "Ich möchte mir nur etwas Bequ emeres anziehen." Sie wandte sich ihrem Schlafzimmer zu. "Ach, Robin." Anmutig wandte sie sich um. "Du könntest uns schon immer ein paar Drinks machen."
"Eine gute Idee." Der Rechtsanwalt verschwand in der Küche.
Pamela zog sich das lange, schwarze Kleid aus, das sie an diesem Abend getragen
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