Die schöne Teufelin
ist noch nicht einmal hübsch!«
Auch Jane hatte sie gesehen. Die neue Mrs Tremayne war keine klassische Schönheit, das stimmte, aber Jane hatte sie als sehr einnehmend und äußerst anmutig empfunden. Aber im Augenblick hatte Jane viel Dringlicheres auf dem Herzen. »Sie haben gesagt, der andere interessante Gentleman käme nicht in Frage?«
»Oh, Papa meint wahrscheinlich Mr Damont«, sagte Serena altklug. »Du erinnerst dich doch, oder? Der Platzhalter.«
»Serena, das reicht jetzt«, tadelte Tante Lottie. »Wir sprechen so nicht über unsere Gäste.«
Onkel Harold grunzte. »Warum eigentlich nicht? Sie hat ja recht. Wir werden ihn auch nicht mehr einladen. Der elende Scheißkerl hat sich mit meinem ganzen Geld verdrückt.«
»Harold!« Tante Lottie blieb schier das Herz stehen.
Jane fragte sich, warum Tante Lottie sich immer noch so sehr über Onkel Harolds Tiraden aufregte. Man sollte doch meinen, dass es nach mehr als zwanzig Jahren Ehe nichts mehr gab, das ihre Tante überraschen konnte.
Leider war Onkel Harold der Herr im Haus, und wenn er sagte, dass Mr Damont nicht mehr kommen würde, dann ließ sich daran nichts ändern.
Es sei denn …
»Richtig!«, sagte Jane mit fester Stimme. »Sie brauchen ganz bestimmt keinen seiner Sorte, um Sie beim Kartenspiel haushoch zu schlagen. Es wäre sicher gescheiter, ihm aus dem Weg zu gehen, wenn er so viel besser spielt als Sie.«
Onkel Harold warf ihr einen eiskalten Blick zu. Sie wand sich vor Unbehagen. Plötzlich verspürte sie das dringende Bedürfnis, bei Tisch nicht mehr zu seiner Rechten zu sitzen. Es war unklug, diesen Mann zu unterschätzen.
»Ich habe nie gesagt, dass er ›so viel besser spielt‹, liebe Jane«, sagte er leise. »Und ich verbitte mir sehr, von dir zu hören, wen ich weiterhin in meinem Haus willkommen heißen soll und wen nicht.«
Jane nickte eilig und wandte den Blick ab. »Natürlich, Onkel. Verzeihen Sie!«
Onkel Harold schnaubte und widmete sich wieder seinem Rührei. »Und er hat mich auch nicht haushoch geschlagen. Ich war nah dran. Ich lade ihn für heute Abend wieder ein, und diesmal werde ich ihn auseinandernehmen. Das werdet ihr schon sehen!«
»Natürlich, Onkel«, stimmte Jane vorsichtig zu. Wenigstens schien es, als hätte sie den Bann, der auf Mr Damont lag, gebrochen …
Abrupt hielt sie inne. Warum hatte sie das getan? Wäre es nicht am besten, wenn Mr Damont nie wieder seinen Schatten in ihr Leben werfen würde? Er hatte … er hatte fast alles gesehen!
Mutter hatte sie diesbezüglich besonders ermahnt. » Du
musst so dekorativ und unterwürfig wie möglich erscheinen. Frauen, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten, erwecken zu viel Aufmerksamkeit.«
Was, wenn er es überall herumerzählte? Was, wenn er gerade in diesem Moment seine Freunde mit der Geschichte unterhielte, wie er Lady Jane Pennington – wenn er sie denn erkannt haben sollte – vom Baum gepflückt hatte wie eine unzüchtig gekleidete Frucht? Verlegenheit ließ ihr die Hitze in den Kopf steigen, als sie sich daran erinnerte, wie seine Hände sie gehalten hatten, wie er sie auf den Boden geholt, wie ihr Körper an seinem entlanggeglitten war, wie er sich so dicht über sie gebeugt hatte, dass er …
Verlegenheit, ganz gewiss. Nichts anderes. Reine, unverfälschte Verlegenheit.
Er würde nichts verraten, er konnte nicht – aber Serena hatte gesagt, er sei kein Gentleman. Er war nur ein gewöhnlicher Mann, von dem man nicht erwarten konnte, dass er sich an die feineren ethischen Grundsätze hielt, die einen Gentleman auszeichneten. Vielleicht erzählte er die Geschichte herum, ohne zu ahnen, dass er es nicht tun sollte. Wie sollte er es besser wissen, ein Mann seines Standes?
Und doch hatte er nicht versucht, Nutzen aus der Situation zu ziehen. Nicht wirklich. Natürlich war er ein bisschen frech gewesen, aber auch sie war sehr ungehörig gewesen, als sie ihm nicht von ganzem Herzen gedankt hatte. Er schien …
Ach, sie wusste es einfach nicht. Sie hatte keine Ahnung, was für ein Mann er war. Sie musste ihn noch einmal sehen, mit ihm sprechen, ihn versichern lassen, dass er niemals mit irgendjemandem darüber reden würde, was letzte Nacht passiert war.
Selbstverständlich hatte die Tatsache, dass sie darauf brannte, in Mr Damonts Augen zu schauen und herauszufinden, ob Serena hinsichtlich seines einsamen, gefühlvollen Blickes wirklich recht gehabt hatte, nichts damit zu tun.
Nicht das Geringste.
4
Ethan war es verdammt
Weitere Kostenlose Bücher