Die schöne Teufelin
kennen gelernt hätte, stand er doch gesellschaftlich weit über ihm und war viel zu ehrbar, als dass er sich einen Spieler ins Haus laden würde. Wenn Lord Etheridge ihn in gesellschaftlichem Rahmen sehen wollte – nein, das würde er nicht. Und das bedeutete, dass es irgendetwas mit diesen verdammten Typen zu tun hatte, diesen Liars.
Ethan drehte sich wieder zu Feebles um. »Was …«
Feebles war verschwunden. Ethan war sich ziemlich sicher, dass er den kleinen Mann nicht wieder sehen würde. Und er war sich genauso sicher, dass Feebles immer noch da wäre.
Beim Frühstück in Lord Maywells eisigem Frühstückszimmer spielte Jane mit ihrer Gabel, während ihre Kusinen sich unentwegt über den gestrigen Ball unterhielten. Selbst jetzt ignorierte Onkel Harold das Geschnatter und Chaos um sich herum und vertiefte sich in die Morgenzeitung. Arme Tante Lottie! Immer musste sie alles allein regeln. Jane warf ihrem Onkel einen missbilligenden Blick zu.
Er bemerkte es nicht.
Sie räusperte sich.
Er blätterte weiter.
»Onkel Harold!« Ihre Stimme schallte durch das Zimmer. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass der Wahnsinn um sie herum irgendwann einmal abebben könnte, aber es trat tatsächlich ein Moment der Stille ein, und zwar – wie sollte es auch anders sein – genau in dem Augenblick, in dem sie zu sprechen angesetzt hatte. Alle starrten sie an, selbst ihr Onkel.
»Ich muss schon sagen, Jane«, murmelte er. »Du hast eine sehr kräftige Lunge!«
»Also wirklich, Jane!« Tante Lottie schüttelte den Kopf. »Ich weiß ja, dass du auf dem Land groß geworden bist, Liebes. Aber es gibt nun wirklich keinen Grund, hier so zu schreien.«
Jane starrte sie alle mit zusammengekniffenen Augen an. »Ich wollte nur, dass man mich über dem ganzen Lärm hört, Tante Lottie.«
Sechs weibliche Augenpaare schauten sie unschuldig an. »Was für ein Lärm, Liebes?« Tante Lottie schien sich ernstlich Sorgen um ihren Geisteszustand zu machen.
Onkel Harold tauchte schon wieder kopfüber in seine Morgenzeitung ab.
»Ich wollte Onkel Harold nur fragen, was er über die jungen Gentlemen denkt, die gestern Abend hier waren«, sagte Jane. »Ich habe nicht mit allen gesprochen, und mir liegt an seiner Meinung.«
Onkel Harold blinzelte. »Was? Ach, ein nutzloser Haufen. Nichts als weinerliche zweite Söhne, die im Leben nichts erben werden. Langweilig noch dazu. Ihr Mädchen
solltet froh sein, dass ihr euch nicht mehr mit denen abgeben müsst.«
»Nicht mehr abgeben?« Augusta schien bei diesem Gedanken ernstlich bestürzt. »Was meinen Sie damit, Papa?«
»Keine weiteren Bälle, weder als Gastgeberinnen noch als Gäste«, sagte Onkel Harold geradeheraus. »Kann mir keine Kleider mehr leisten. Du und deine Schwestern, ihr zieht ja nichts zweimal an.«
Eine so ungerechte Anschuldigung ließ alle Frauen am Tisch für einen langen, entrüsteten Augenblick schweigen. Und doch musste Jane zugeben, dass ihr Onkel nicht ganz Unrecht hatte, denn obgleich die Mädchen die inoffiziellen Gastgeberinnen des Balles gewesen waren und deshalb als Erste unter den Gentlemen auswählen durften, waren sie kaum in der Lage gewesen, ihre Tanzkarten zu füllen.
Der Mann aus dem Garten hatte nicht getanzt, da war sie sich sicher. Sie hätte jemanden, der so gut aussah, nicht übersehen.
»Das ist jammerschade, Onkel«, entgegnete sie über dem Wehklagen und den Protesten ihrer Kusinen. »Dabei schien es mir, dass Sie Ihr Kartenspiel gestern Abend über alle Maßen genossen haben.«
»Ha!« Ihr Onkel zog eine Grimasse. »Nur zwei Spieler waren der Rede wert – und einer davon ist verheiratet, und der andere kommt nicht in Frage.«
Tante Lottie zwinkerte verdutzt. »Wer ist verheiratet? Ich habe nur Junggesellen eingeladen.«
»Tremayne«, erwiderte Onkel Harold. »Ist los und hat in aller Stille geheiratet.«
Tante Lottie keuchte auf. »Doch nicht der nette Mr Tremayne!« Das Jammern hub erneut an. Jane hielt das alles für
reichlich übertrieben, denn alle Welt wusste, dass Mr Collis Tremayne niemals als Ehemann für eine ihrer Kusinen in Frage gekommen wäre, selbst als er noch ledig war.
»Wen hat er geheiratet, Papa?«, fragte Augusta den Tränen nahe.
Onkel Harold zuckte die Schultern. »Eine Schwarzhaarige. Wollte mit ihr tanzen und hat deshalb aufgehört zu spielen.«
»Ich hab sie gesehen!«, erklärte Serena und war dabei so entrüstet, als hätte die junge Frau ihnen Tremayne vor der Nase weggeschnappt. »Sie
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