Die Schöne und der Tod (1)
kaum. Seine Lippen liegen fest aufeinander, er spricht wenig, starrt auf den Tisch. Max und Emma sitzen neben ihm, vor ihm, sie hören ihm zu, warten ab, bis er wieder etwas sagt, sie schauen ihn an. Er nimmt die Flasche und schenkt sich Schnaps ein. Mit einem Nicken fragt er, ob sie auch trinken wollen, wartet aber die Antwort nicht ab und steht auf.
Plötzlich bricht es aus ihm. Wie er seine Hände durch die Luft wirft, wie er laut wird, immer lauter. Dass sie so schön war. Dass sie doch alles hatte, dass er das alles nicht verstehen kann. Er geht durch die Küche, hin und her, immer wieder unterbricht er kurz, er ist außer sich. Max und Emma sitzen und nippen an dem Wasser, das er ihnen gegeben hat.
So hat Max ihn noch nie gesehen. August war Bauer, ein harter Mann, der nie Gefühle zeigt, August hat Schweine geschlachtet, Hühner. Dass er jetzt vor Max zusammenbricht, damit hat er nicht gerechnet. So kennt er ihn nicht, schreiend, ohne Kontrolle. Wie ihm alles entgleitet. Max hat sich leise Tränen erwartet, die heimlich über seine Wangen schleichen, er hat gedacht, einen gebrochenen Mann zu treffen. Doch August schreit, er flucht, laut. Max und Emma zucken zusammen, er wirft die Flasche Schnaps auf den Boden. Sie bricht nicht, rollt, bleibt unter Max liegen.
Max hält sich zurück. Er wartet ab, will August trauern lassen, auf seine Art. Max hat schon so viele Menschen gesehen, die jemanden verloren haben, für ihn ist das Alltag, Tränen, Verzweiflung. August ist nur einer mehr, der jemanden verliert, genauso wie er jemanden verloren hat. Seine Mutter, seinen Vater. Emma, wie sie neben ihm sitzt. Max schaut sie an. Emma Huber, Designerin in London, Schwester des erfolgreichen Models Marga Huber, Schwägerin des Bauern aus dem Fernsehen, ehemalige Geliebte von Max Broll.
Max trinkt Wasser, er leert das Glas. Er will das alles nicht. Er steht auf und legt August seine Hand auf die Schulter. Emma soll aus seinem Kopf verschwinden, sie soll dorthin zurückgehen, von wo sie gekommen ist, sie soll ihn in Ruhe lassen. Jetzt, am Abend, immer. Max drückt August zurück in seinen Sessel.
Beruhige dich, sagt er.
Ich bin ruhig, bellt August.
Er setzt sich, wehrt sich nicht. Schwer atmet er ein und aus, nur schwer kann er sich halten, einfach nur dasitzen und zuhören, was Emma sagt. Unruhig rutscht er auf seinem Sessel hin und her, Max beobachtet ihn, Emma redet. Über Marga, über das Begräbnis, über alles, was kommt in den nächsten Tagen.
Max erinnert sich, wie August an der Wursttheke gestanden ist. Der ehemalige Schweinebauer aus dem Fernsehen hat ihm leidgetan damals, weil er fremd war im Dorf, weil er plötzlich Wurst aufschneiden musste, statt Schweine zu züchten, weil er so armselig wirkte in seinem weißen Mäntelchen, die Wurstgabel in der Hand. Max hat ihn in die Sauna eingeladen. August hat Lyoner und Polnische geschnitten, während Max ihm von der Saunarunde erzählte. Max wusste, wie schwer es war, Freunde im Dorf zu finden, Anschluss, er wollte ihm etwas Gutes tun. August war damals mit seiner Mutter allein im Haus, Marga war in Japan, und August begann mit ihnen zu schwitzen. Er wurde Saunamitglied.
Über Emma wurde nicht geredet. Max hatte darum gebeten. Über Marga, aber nichts über Emma, kein Wort, das war die Bedingung. Max wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben, sich nicht mehr berühren lassen von ihr, von Geschichten über sie. Sie unterhielten sich über das Modeln, den Greißlerladen, über das Schwitzen, über
Bauer sucht Frau
, August erzählte, wie er Marga kennengelernt hatte, über die Redakteurin des Senders, die zwei Wochen lang hysterisch zwischen den Schweinen hin- und herrannte, darüber, wie Marga und er sich fanden, wie die Liebe sie plötzlich niederstreckte. Und über Kattnig, der immer da war. Dass er sie in die Sendung gebracht hat, dass er irgendwann vor der verschlossenen Schlafzimmertür stand. August und Marga, der erste Kuss, die Kameras. Wie sie die Bilder in die Wohnzimmer schickten, Bilder, auf denen sie liebevoll umarmt die ersten zarten Bande knüpften. Das Model und der Bauer, sie verkauften sich gut, die Einschaltquoten sausten nach oben und Margas Karriere begann wieder von vorne. Ihr Gesicht war in den Zeitungen, dann wieder in Katalogen und auf Laufstegen. August wurde ihr Mann. Er verkaufte seinen Hof und zog mit seiner alten, faltigen Mutter bei Marga ein.
August brachte die große Welt in die kleine Sauna, stillte die Neugier, erzählte
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