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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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während der Zeit seines früheren Verkehrs in ihrem Vaterhause im Ausland gewesen. Doch vermieden sie es alle, näher an die Vergangenheit zu rühren, und so kam es von selbst, daß vor allem des Besuchers Person und Leben besprochen wurde. Beide Frauen zeigten sich ein wenig verwundert, ihn so zuwartend und unschlüssig an den Toren des Lebens stehen zu sehen, und Agnes meinte geradezu, wenn er einiges Talent zum Baumeister in sich fühle, so sei das ein so herrlicher Beruf, daß sie sein Zaudern nicht begreife. Beim Abschied wurde er eingeladen, nach Belieben sich wieder einzufinden.
    Von den veränderten Umständen der Familie hatte zwar die Lage und Bescheidenheit ihrer Wohnung Kunde gegeben, die Frauen selbst aber hatten dessen nicht nur mit keinem Worte gedacht, sondern auch in ihrem ganzen Wesen kein Wissen von Armut oder Bedrücktheit gezeigt, vielmehr den Ton bewahrt, der in ihrer früheren Lebensführung ihnen geläufig gewesen war. Reichardt nahm eine Teilnahme und Bewunderung für die schöne, tapfere Tochter mit sich in die abendliche Stadt hinein und fühlte sich bis zur Nacht und zum Augenblick des Einschlafens von einer wohlig reizenden Atmosphäre umgeben, wie vom tiefen, warmen Braun ihrer Blicke.
    Dieser sanfte Reiz spornte den Doktor auch zu neuen Arbeitsgedanken und Lebensplänen an. Er hatte darüber ein langes Gespräch mit dem Maler Konegen, das jedoch zu einer Abkühlung dieser Freundschaft führte. Hans Konegen hatte auf Reichardts Klagen hin sofort einen Arbeitsplan entworfen, er war in dem großen Atelier heftig hin und wider geschritten, hatte seinen Bart mit nervösen Händen gedreht und sich alsbald, wie es seine unheimliche Gabe war, in ein flimmerndes Gehäuse eingesponnen, das aus lauter Beredsamkeit bestand und dem Regendache jenes Meisterfechters im Volksmärchen glich, unter welchem jener trocken stand, obwohl es aus nichts bestand als dem rasenden Kreisschwung seines Degens.
    Er rechtfertigte zuerst die Existenz seines Freundes Reichardt, indem er den Wert solcher Intelligenzen betonte, die als kritischeund heimlich mitschöpferische Berater der Kunst helfen und dienen könnten. Es sei also dessen Pflicht, seine Kräfte der Kunst dienstbar zu machen. Er möge daher trachten, an einer angesehenen Kunstzeitschrift oder noch besser an einer Tageszeitung kritischer Mitarbeiter zu werden und zu Einfluß zu kommen. Dann würde er, Hans Konegen, ihm durch eine Gesamtausstellung seiner Schöpfungen Gelegenheit geben, einer guten Sache zu dienen und der Welt etwas Neues zu zeigen.
    Als Berthold ein wenig mißmutig den Freund daran erinnerte, wie verächtlich sich dieser noch kürzlich über alle Zeitungen und über das Amt des Kritikers geäußert habe, legte der Maler dar, wie eben bei dem traurig tiefen Stand der Kritik ein wahrhaft freier Geist auf diesem Gebiete zum Reformator werden könne, zum Lessing unserer Zeit. Übrigens stehe dem Kunstschriftsteller auch noch ein anderer und schönerer Weg offen, nämlich der des Buches. Er selbst habe schon manchmal daran gedacht, die Herausgabe einer Monographie über ihn, Hans Konegen, zu veranlassen; nun sei in Reichardt der Mann für diese nicht leichte Aufgabe gefunden. Berthold solle den Text schreiben, die Illustration des Buches übernehme er selbst.
    Reichardt hörte die wortreichen Vorschläge mit zunehmender Verstimmung an. Heute, da er das Übel seiner berufslosen Entbehrlichkeit besonders stark empfand, tat es ihm weh zu sehen, wie der Maler in diesem Zustand nichts anderes fand als eine Verlockung, ihn seinem persönlichen Ruhm oder Vorteil dienstbar zu machen.
    Aber als er ihm ins Wort fiel und diese Pläne kurz von der Hand wies, war Hans Konegen keineswegs geschlagen.
    »Gut, gut«, sagte er wohlwollend, »ich verstehe Sie vollkommen und muß Ihnen eigentlich recht geben. Sie wollen Werte schaffen helfen, nicht wahr? Tun Sie das! Sie haben Kenntnisse und Geschmack, Sie haben mich und einige Freunde und dadurch eine direkte Verbindung mit dem schaffenden Geist der Zeit. Gründen Sie also ein Unternehmen, mit dem Sie einen unmittelbaren Einfluß auf das Kunstleben ausüben können! Gründen Sie zum Beispiel einen Kunstverlag, eine Stelle für Herstellung und Vertrieb wertvoller Graphik, ich stelle dazu das Verlagsrecht meiner Holzschnitte und zahlreicher Entwürfe zur Verfügung, ich richte Ihre Druckerei und Ihr Privatbüro ein, die Möbel etwa inAhornholz mit Messingbeschlägen. Oder noch besser, hören Sie! Beginnen wir eine

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