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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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oder fraß das Gefühl der Zurücksetzung und Unlust und Langeweile still in sich hinein.
    Mittlerweile lief der Pensionstermin eines der in Privathäusern versorgten Stadtarmen ab, und eines Tages rückte in der »Sonne« als zweiter Gast der frühere Seilermeister Lukas Heller ein.
    Wenn die schlechten Geschäfte aus Hürlin einen Trinker gemacht hatten, war es mit diesem Heller umgekehrt gegangen. Auch war er nicht wie jener plötzlich aus Pracht und Reichtum herabgestürzt, sondern hatte sich langsam und stetig vom bescheidenen Handwerksmann zum unbescheidenen Lumpen heruntergetrunken, wovor ihn auch sein tüchtiges und energisches Weib nicht hatte retten können. Vielmehr war sie, die ihm an Kräften weit überlegen schien, dem nutzlosen Kampf erlegen und längst gestorben, während ihr nichtsnutziger Mann sich einer zähen Gesundheit erfreute. Natürlich war er überzeugt, daß er mit dem Weib so gut wie mit der Seilerei ein unbegreifliches Pech gehabt und nach seinen Gaben und Leistungen ein ganz anderes Schicksal verdient habe.
    Hürlin hatte die Ankunft dieses Mannes mit der sehnlichsten Spannung erwartet, denn er war nachgerade des Alleinseins unsäglich müd geworden. Als Heller aber anrückte, tat der Fabrikant vornehm und machte sich kaum mit ihm zu schaffen. Er schimpfte sogar darüber, daß Hellers Bett in seine Stube gestellt wurde, obwohl er heimlich froh daran war.
    Nach der Abendsuppe griff der Seiler, da sein Kamerad so störrisch schweigsam war, zu einem Buch und fing zu lesen an. Hürlin saß ihm gegenüber und warf ihm mißtrauisch beobachtende Blicke zu. Einmal, als der Lesende über irgend etwas Witziges lachen mußte, hatte der andere große Lust, ihn danach zu fragen. Aber als Heller im gleichen Augenblick vom Buch aufschaute, offenbar bereit, den Witz zu erzählen, schnitt Hürlin sofort ein finsteres Gesicht und tat, als sei er ganz in die Betrachtung einer über den Tisch hinwegkriechenden Mücke versunken.
    So blieben sie hocken, den ganzen langen Abend. Der eine las und blickte zuweilen plaudersüchtig auf, der andere beobachtete ihn ohne Pause, wandte aber den Blick stolz zur Seite, so oft jener herüberschaute. Der Hausvater strickte unverdrossen in die Nacht hinein. Hürlins Mienenspiel wurde immer verbissener, obwohl er eigentlich seelenfroh war, nun nicht mehr allein in der Schlafstube liegen zu müssen. Als es zehn Uhr schlug, sagte der Hausvater: »Jetzt könntet ihr auch ins Bett gehen, ihr zwei.« Beide standen auf und gingen hinüber.
    Während die beiden Männlein in der halbdunklen Stube sich langsam und steif entkleideten, schien Hürlin die rechte Zeit gekommen, um ein prüfendes Gespräch anzubinden und über den langersehnten Haus- und Leidensgenossen ins klare zu kommen.
    »Also jetzt sind wir zu zweit«, fing er an und warf seine Weste auf den Stuhl.
    »Ja«, sagte Heller.
    »Eine Saubude ist’s«, fuhr der andere fort.
    »So? Weißt’s gewiß?«
    »Ob ich’s weiß! – Aber jetzt muß ein Leben reinkommen, sag ich, jetzt! Jawohl.«
    »Du«, fragte Heller, »ziehst du’s Hemd aus in der Nacht oder behältst’s an?«
    »Im Sommer zieh ich’s aus.«
    Auch Heller zog sein Hemd aus und legte sich nackt ins krachende Bett. Er begann laut zu schnaufen. Aber Hürlin wollte noch mehr erfahren.
    »Schlafst schon, Heller?«
    »Nein.«
    »Pressiert auch nicht so. – Gelt, du bist’n Seiler?«
    »Gewesen, ja. Meister bin ich gewesen.«
    »Und jetzt?«
    »Und jetzt – kannst du mich gern haben, wenn du dumme Fragen tust.«
    »Jerum, so spritzig! Narr, du bist wohl Meister gewesen, aber das ist noch lange nichts. Ich bin Fabrikant gewesen. Fabrikant, verstanden?«
    »Mußt nicht so schreien, ich weiß schon lang. Und nachher, was hast denn nachher fabriziert?«
    »Wieso nachher?«
    »Frag auch noch! Im Zuchthaus mein ich.«
    Hürlin meckerte belustigt.
    »Du bist wohl’n Frommer, was. So ein Hallelujazapfen?«
    »Ich? Das fehlt gerad noch! Fromm bin ich nicht, aber im Zuchthaus bin ich auch noch nicht gewesen.«
    »Hättest auch nicht hineingepaßt. Da sind meistens ganz feine Herren.«
    »O jegerle, so feine Herren wie du einer bist? Freilich, da hätt ich mich geniert.«
    »’S redet ein jeder, wie er’s versteht oder nicht versteht.«
    »Ja, das mein ich auch.«
    »Also, sei gescheit, du! Warum hast du die Seilerei aufgesteckt?«
    »Ach, laß mich in Ruh! Die Seilerei war schon recht, der Teufel ist aber ganz woanders gesessen. Das Weib war schuld.«
    »Das Weib? –

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