Die schottische Braut
noch sich rühren, als er seine Stiefmutter näher kommen sah. In seinem Kopf hörte er wieder all die Beleidigungen und Kränkungen, die sie zu ihm gesagt hatte.
Aisleen sah erst Callie an und lächelte zögernd, dann richtete sie ihren Blick auf Sin; ihr Lächeln verblasste.
Sie verharrten beide völlig reglos und musterten einander. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er etwas anderes als Hass in ihren Augen. Seltsamerweise standen dort nun Schuldgefühl und Reue.
Aisleen holte zitternd Luft. »Nun«, begann sie leise. »Das hier ist noch viel schwieriger, als ich gedacht hatte. Lass mich also sagen, was ich zu sagen habe, und dann kannst du die Genugtuung erfahren, mich aus deiner Halle werfen zu lassen.«
Ihre Worte verblüfften ihn so sehr, dass er nichts auf sie erwidern konnte, selbst wenn er gewollt hätte.
»Es war schrecklich falsch von mir, wie ich dich behandelt habe, Junge. Ich will gar nicht erst anfangen und Entschuldigungen für mein Verhalten suchen. Aber ich war noch sehr jung und tief verletzt. Vor allem war ich jedoch eine Närrin, einem Kind die Schuld für etwas zu geben, an dem es völlig unschuldig war.«
Sie betrachtete ihn liebevoll, was ihn überraschte und verwunderte. »Ich weiß, du glaubst es mir nicht, aber oft habe ich in der Nacht wach gelegen und mir gewünscht, ich könnte mein Verhalten dir gegenüber ungeschehen machen.«
»Ihr schuldet mir nichts, Mylady«, erklärte Sin.
»Doch, das tue ich. Als du die Brandwunden hattest und bei uns warst, da wollte ich mit dir deswegen sprechen, aber jedes Mal, wenn ich damit anfangen wollte, war ich am Ende zu feige.«
Das eingepackte Geschenk, das sie in der Hand hielt, legte sie vor ihm auf den Tisch. »Fröhliche Weihnachten euch beiden und meinen herzlichen Glückwunsch zu eurer Hochzeit.« Sie lächelte Callie an. »Ich hoffe, du schenkst ihm all die Liebe, die ich ihm hätte geben sollen.«
Damit drehte sie sich um und ging zur Tür zurück.
Sin schaute ihr nach, wie sie sich entfernte. Seine Gefühle waren ein einziges Durcheinander. Seine Frau nahm das Geschenk und packte es aus.
»Sin?«
Er blickte von seiner Stiefmutter auf das MacAllister-Banner in Callies Händen, und plötzlich schlug ihm das Herz bis zum Hals.
Statt vier Schwertern zeigte es nun fünf. Und Callie hielt eine kleine Karte, auf der in Aisleens Handschrift geschrieben stand: Für Sin MacAllister.
Er sah seine Brüder an und Maggie, die ihn erwartungsvoll anschauten, während ihre Mutter den Raum durchquerte.
»Aisleen«, rief er, bevor er es sich anders überlegen konnte.
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
Sin stand auf und trat zu ihr. »Ich habe vor langer Zeit gelernt, Vergangenes ruhen zu lassen. Zugegeben, es gab Zeiten, da war das leichter gesagt als getan, aber ich bin nicht nachtragend. Ihr seid in meiner Halle willkommen, Mylady.«
Tränen standen in ihren Augen, als sie ihn anschaute. »Du wirst niemals wissen, wie sehr ich es bedauere, damals nicht dein Mitgefühl und deine Nachsicht besessen zu haben. Ich bin sicher, du hast dir oft gewünscht, ich hätte diese Worte zu dir gesagt.«
Darauf erwiderte Sin nichts, denn er wusste nicht was.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie das tun könnte, aber sie streckte die Arme aus und umarmte ihn.
Sin stand vor Schreck wie erstarrt.
Sie klopfte ihm auf den Rücken und ließ ihn los. Dann schaute sie ihn an, runzelte die Stirn und tat etwas, das niemand zuvor bei ihm getan hatte ...
Sie hob eine Hand, strich ihm das Haar glatt und zog seine Kleider zurecht wie eine Mutter, die sich um die äußere Erscheinung ihres Sohnes Sorgen macht. »So«, erklärte sie schließlich und tätschelte ihm begütigend den Arm. »Ich wollte dich nicht unordentlich machen.«
Sin lachte, als seine Frau, seine Brüder und Maggie sich zu ihnen stellten. Diener brachten Getränke und Essen, und alle kehrten zusammen an den Tisch zurück. Sie setzten sich, aßen und scherzten.
Stunden später, als alle satt und zufrieden waren, wurden die Geschenke verteilt.
Sin nahm dankbar das von Callie entgegen. Es war nicht sehr groß, und als er es öffnete, runzelte er die Stirn.
»Ich muss aus Versehen das für Ada erwischt haben«, sagte er und hielt die kleinen weißen Babystrümpfe hoch.
Er wollte sie gerade Maggie geben, als Callie seinen Arm festhielt. »Nun, ich weiß genau, wie großzügig du bist, Sin MacAllister, aber du solltest sie nicht verschenken, wenn wir sie selbst nächsten Sommer
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