Die Schreckensteiner auf der Flucht
Zurückstellen persönlich besorgten. Bei diesem Streich kam es auf Präzision an; da wollten die Ritter sich nicht auf die Mädchen verlassen. Zur Sicherheit wurde auch der einzige Mann im Haus, der alte Gärtner und Hausmeister, mit berücksichtigt. Er hatte abgeschlossen. Aber Stephan wusste noch von einem früheren Streich gegen Rosenfels den Liegeplatz der langen Leiter, schlich mit seiner Gruppe hinaus, holte sie und legte sie am Fenster an. Beatrix wollte schon hinaufklettern, doch er hielt sie zurück.
„Lass mal. Bei Männern bin ich zuständig!“ Das Fenster war glücklicherweise nur angelehnt. Stephan schob es auf: lautes Schnarchen empfing ihn. Hier konnte er in aller Ruhe einsteigen, konnte sich nahezu frei bewegen, seine Taschenlampe unter den Arm geklemmt, stellte er den Wecker zurück, als das Schnarchen unvermittelt abriss. Unverständliches stammelnd drehte sich der Gärtner in seinem Bett um. Stephan schaltete die Lampe aus und blieb unbeweglich stehen. Da kam vom Bett her die Frage: „Wo bin ich? Wo bin ich?“ Die Stimme klang ängstlich. Ehe Stephan sich überlegen konnte, was er tun sollte, hatte er bereits geantwortet: „Im Bett. In deinem Bett.“ Erst dann erschrak er, lauschte mit angehaltenem Atem. Doch offenbar hatte er genau das Richtige getan. Der Gärtner drehte sich zur Wand zurück und schnarchte zufrieden weiter. Auch die „Gruppe Ingrid“ war mittlerweile auf Schwierigkeiten gestoßen. Fräulein Böcklmeier hatte ihre Tür abgeschlossen. Der Schlüssel steckte innen. Und das im zweiten Stock. Bis dahin reichte die Leiter nicht. Es gab nur eine Möglichkeit: von oben.
Dampfwalze schloss mit seinen Dietrichen den Speicher auf. Andi holte Ottokar aus der Nische, und Dieter verständigte die „Gruppe Beatrix“. Dampfwalze hatte Glück. Über Fräulein Böcklmeiers Fenster gab es eine Dachluke.
„Das lass mich machen! Du bist zu schwer“, raunte ihm Ottokar zu und seilte sich ab. Nach alter Schreckensteiner Erfahrung führte er ein zweites Seil, die sogenannte „Verständigungsleine“ mit. Unten stand die „Gruppe Beatrix“ mit einer als Sprungtuch ausgebreiteten Zeltplane. Ottokar hatte das Fenster erreicht.
„Warum steigt er nicht hinein?“ fragte Beatrix.
„Vielleicht geniert er sich“, antwortete Stephan. Beatrix merkte nicht, dass er sie auf den Arm nahm.
„Das geht an sich auch nicht. Wenn das rauskommt, ist der Teufel los.“
„Ich werde ihm sagen, er soll sich wenigstens einen Rock anziehen.“
Er wollte sie noch mehr aufziehen, aber Ottokar gab ein Lichtzeichen. Stephan holte wieder die lange Leiter, legte sie an und stieg hinauf. Ottokar ließ sich am Seil bis zum ersten Stock herunter, so dass Stephan seinen Fuß angeln und ihn sicher auf die oberste Sprosse der Leiter setzen konnte.
„Die Böcklmeier ist eine Miefschläferin, sie schläft bei geschlossenem Fenster“, flüsterte Ottokar. „Sie hat aber nur den unteren Drehriegel zu. Mit einem Draht müsste ich ihn hochziehen können!“ Er sprach nicht weiter, duckte sich, dass die Leiter wackelte. In dem Zimmer unter Fräulein Böcklmeiers Fenster war Licht angeknipst worden. Eine Gestalt trat an das Fenster, dessen einer Flügel offen stand.
„Was macht ihr denn hier? Ich habe meine Uhr längst verstellt.“
Es war Sonja.
„Du hast Nerven!“ brummte Stephan kaum verständlich, weil Ottokar auf seinem Kopf saß. Und der, sein Gewicht halb auf das Seil, halb auf Stephan verteilt, sagte: „An deiner Stelle würde ich nicht im Nachthemd mit uns sprechen. Du könntest dir deine Autorität erkälten.“
„Wenn du frech wirst, schneide ich das Seil ab“, antwortete Sonja.
„Vorher gibst du mir bitte einen Draht. Ich hänge nämlich nicht zum Vergnügen hier bei der Kälte.“
Sonja fand tatsächlich ein Stück Draht. Sie schaltete das Licht aus und kam ans Fenster zurück.
„Nun sag mir aber, wozu du ihn brauchst.“
„Morgen“, antwortete Stephan und signalisierte Dampfwalze durch dreimaliges Rucken an der Verständigungsleine, dass er Ottokar hochziehen solle. Und während dieser an Sonja vorbei nach oben entschwand, fuhr er fort: „Sonst hast du eine schlaflose Nacht. Und schließlich machen wir uns die Arbeit ja nur, damit du ausschlafen kannst.“
Ottokar schaffte es tatsächlich, mit dem Draht nach dem Riegel zu angeln. Nach getaner Arbeit seilte er sich erneut ab. Stephan kletterte wieder hinauf und setzte die Füße des Freundes sicher auf die Leiter.
„Wie war’s denn
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