Die Schreckensteiner auf der Flucht
gegenüber.
„Fahr du“, sagte Dampfwalze. „Ich setz mich hinter die Böcklmeier. Das gibt die beste Gewichtsverteilung.“
„Stimmt“, antwortete Stephan und quetschte sich zwischen Lenkrad und Lehrerin. Dampfwalzes Verzicht war ganz große Klasse. Obwohl er ahnte, dass sie mit der gewichtigen Ladung die „52,09“ unterbieten würden, hatte er seinem alten Rivalen das Steuer überlassen.
Fräulein Doktor Horn schaute amüsiert auf die vier hinunter. „So, dann wünsche ich gute Fahrt.“
„Halt!“ rief da Fräulein Böcklmeier. „Ich muss meine Pelzjacke ausziehen. Es ist wieder wärmer heute!“ Hans-Jürgen, der schon die Startflagge bereithielt, nahm den Stallbesen entgegen. Unten auf dem Eis stand Strehlau mit Zollstock und Stoppuhr und schaute herauf. Die Bahn war frei; Hans-Jürgen hob die Startflagge.
„Los!“
Aus Leibeskräften schob Ottokar den schweren Schlitten an und sprang erst kurz vor dem Einbiegen in den Steilhang auf.
„Mann!“ jubelte Dampfwalze. Stephan hatte alle Hände voll zu tun, das Lenkrad festzuhalten, so ungestüm zerrten die von Fräulein Doktor Horn gemeinten physikalischen Kräfte an der Lenkung. Aber dank der idealen Bahn fand der Schlitten den richtigen Weg nahezu von selbst. Immer rasender wurde die Fahrt, immer höher trug es die vier in den Kurven hinaus, immer näher an den Bäumen vorbei. Fräulein Böcklmeier quietschte wie ein Säugling. „Heiliger Nepomuk!“ schrie sie, als der Schlitten nach der siebten Kurve mit einem Luftsprung in das letzte Steilstück hineinschoss. Fast wäre Ottokar verlorengegangen, so weit rutschte ihre Masse nach hinten. Doch der hatte so etwas kommen sehen und hielt sich eisern an den Bremshebeln fest, wobei er darauf achtete, ja nicht aus Versehen zu bremsen. Links kam die lange Baumwurzel, die den Schlitten jedes mal aus der Spur versetzte.
„Festhalten!“ schrie Stephan. Und da flogen sie auch schon wie von einer Windböe erfasst. Dampfwalze machte von seiner enormen Kraft sehr vernünftigen Gebrauch. Mit der linken Hand hielt er sich am Schlitten fest, mit der rechten drückte er auf Fräulein Böcklmeiers Schulter, und das genau im richtigen Augenblick, sonst wäre das kostbare Gewicht unweigerlich über Bord gekippt. Funkenstiebend scheuerten die rechten Kufen auf blankem Fels, der Schlitten ächzte, als müsse er zerbrechen, aber er hielt, raste mit unverminderter Geschwindigkeit weiter, von Stephan in die superschnelle Spur zurückgezwungen, schoss auf das blanke Eis des Bootsstegs und hinaus in die Luft zum längsten und weitesten aller bisherigen Schlittenflüge.
„Festhalten!“ schrie Dampfwalze und presste sogleich die Zähne aufeinander. Schon einmal hatte er sich schwer auf die Zunge gebissen, als er mit hängendem Unterkiefer den Aufprall auf die Eisfläche erlebte. Doch so fest er diesmal auch presste, es kam kein Aufprall, sie flogen und flogen, hörten nur ein Krachen ohne Stoß, wunderten sich mehr als sie erschraken über ein nicht erwartetes Kältegefühl, schnappten nach Luft und schluckten — Wasser. Als erster tauchte Stephan wieder auf.
„50,56!“ sagte Strehlau trocken, im wahrsten Sinne des Wortes. Dampfwalze und Ottokar wuchteten Fräulein Böcklmeier an die Oberfläche und auf die feste Eisdecke zurück.
„Neuer Rekord?“ fragten sie wie aus einem Mund. „Neuer Rekord!“ antwortete Stephan und kletterte aufs Eis, wo er Fräulein Böcklmeier auf die Beine half. Jetzt sah sie aus wie eine fette Robbe. Er wollte sie fragen, ob sie heil davongekommen sei, doch sie kam ihm zuvor.
„Neuer Rekord!“ sagte sie triefend, aber strahlend. „Dann hat sich unser Bad ja wenigstens gelohnt.“ Sie drehte sich zum Ufer, hielt die Hände als Schallmuschel an den Mund und rief zu ihren Kolleginnen und Fräulein Doktor Horn hinauf: „Neuer Rekooooord!“
Auf nüchternen Magen
Stephan, Ottokar und Dampfwalze knieten nebeneinander und schrubbten den Holzboden des Esssaals. Sonja hatte die Aufsicht. Sie sollte, wie auf Rosenfels üblich, dafür sorgen, dass die Arbeit gründlich und unter Schweigen ausgeführt wurde. Nur Neugierig schauten die Mädchen ins Zimmer, um sich das herrliche Schauspiel nicht entgehen zu lassen gleichförmiges Schrubben war zu hören, gelegentlich vom Klicken des Türschlosses unterbrochen. Mädchen streckten die Köpfe herein. Sie wollten sich das Schauspiel, die tollkühnen Bobfahrer schrubben zu sehen, nicht entgehen lassen und kicherten
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