Die Schule der Robinsons
als fortlaufen zu können!«
Einundzwanzigstes Capitel.
Welches mit einer höchst überraschenden Bemerkung des Negers Carefinotu endigt.
Die unter jenen Breiten so rauhe Winterszeit war gekommen. Godfrey durfte sich glücklich schätzen, in der Wohnung einen Kamin nebst Schlot hergerichtet zu haben. Es versteht sich von selbst, daß die Errichtung der Palissade vollendet war und eine feste Thür jetzt den Abschluß der Umzäunung vermittelte.
Während der folgenden sechs Wochen, d. h. bis Mitte December, gab es viele schlechte Tage, welche es fast unmöglich machten, sich in’s Freie zu begeben. Zuletzt stellten sich heftige Stürme ein, bei denen die Mammuthgruppe bis an die Wurzeln erschüttert und der Boden mit abgebrochenen Zweigen bestreut wurde, von welchen man einen großen Vorrath als Feuerholz sammelte.
Die Insassen des Will-Tree kleideten sich nun so warm als möglich; die in der Kiste vorgefundenen Wollstoffe wurden jetzt benutzt, wenn Einer oder der Andere hinaus mußte, um wenigstens die Bedürfnisse der Küche zu decken; das Wetter wurde jedoch allmählich so abscheulich, daß man sich auf das Nothwendigste beschränken mußte.
An eine Jagd war gar nicht zu denken, und der Schnee fiel mit solcher Heftigkeit, daß Godfrey sich in die unwirthlichen Gegenden des Eismeeres versetzt glaubte.
Es ist ja bekannt, daß das nördliche Amerika, über welches die eisigen Winde des Nordens ohne Hinderniß hinwegfegen, eines der kältesten Länder der Erde ist. Der Winter dauert hier bis weit in den April hinein, und es bedarf ganz besonderer Maßnahmen, um sich gegen denselben zu schützen. Das erweckte den Gedanken, die Insel Phina in weit höherer Breite zu suchen, als Godfrey bisher angenommen hatte.
Daraus ergab sich auch die Nothwendigkeit, das Innere des Will-Tree so behaglich als möglich einzurichten, und doch hatte man von Kälte und Regen ganz grausam zu leiden. Die Proviantvorräthe waren leider unzureichend, das Schildkrötenfleisch ging nach und nach zu Ende; wiederholt mußten einige Köpfe aus der Schaf-, Aguti-oder Ziegenheerde geopfert werden, obgleich deren Zahl seit dem Aufenthalt auf der Insel nicht besonders gewachsen war.
Welch’ trübselige Gedanken marterten bei diesen neuen Prüfungen des Schicksals das Gehirn Godfreys!
Es kam sogar soweit, daß er vierzehn Tage lang an ziemlich intensivem Fieber daniederliegen mußte. Ohne die kleine Apotheke, welche die nöthigen Mittel zur Bekämpfung der Krankheit lieferte, wäre es vielleicht um ihn geschehen gewesen. Tartelett übrigens war wenig geeignet, ihm während dieser schlimmen Zeit die nöthige Pflege angedeihen zu lassen, und er hatte es nicht wenig Carefinotu zu danken, daß er seine Gesundheit wieder erhielt.
Doch welche Erinnerungen und welche Klagen! Konnte er doch niemand Anderen als sich selbst dafür verantwortlich machen, daß er sich jetzt in einer Lage befand, deren Ende er niemals abzusehen vermochte! Wie viele Male rief er in seinen Fieberphantasien den Namen Phinas, die er niemals wieder zu sehen fürchtete, oder den seines Onkels Will, von dem er sich für immer getrennt sah! Ach, er mußte gar viel abziehen von jenem Leben eines Robinson, das ihm in seiner Kinderphantasie als Ideal vorgeschwebt hatte! Jetzt war er in der Lage, eine solche Existenz zu kosten. Ja, er konnte nicht einmal hoffen, je an den heimatlichen Herd zurückzukehren.
So schlich der traurige Monat December hin, an dessen Ende Godfrey erst anfing, wieder ein wenig zu Kräften zu kommen.
Tartelett hielt sich aus besonderer Gnade des Himmels vortrefflich. Doch welch’ unaufhörliche Klagen, welch’ endlose Jeremiaden gab er zum Besten! Wie die Grotte der Kalypso nach der Abfahrt des Odysseus »klang der Will-Tree nicht mehr von seinem Sange wieder,« nämlich wohlzuverstehen, von dem Klange seiner Geige, deren Saiten durch den Frost versteinert waren.
Es muß hier bemerkt werden, daß Godfrey neben der Erscheinung von wilden Thieren jetzt nichts mehr fürchtete als eine Rückkehr der Wilden in verstärkter Anzahl, da diesen die Lage der Insel Phina ja hinreichend bekannt war. Gegen einen solchen Angriff hätte die Palissade aus Baumstämmen doch nur unzulänglich Schutz gewährt.
Alles in Allem boten noch die hohen Aeste der Sequoia die verhältnißmäßig sicherste Zuflucht, und es entstand also der Gedanke, die Besteigung des Stammes minder beschwerlich zu machen. Die enge Oeffnung, welche jeder Feind passiren mußte, um nach dem oberen
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