Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
meint der Doktor, er ist also offenbar von hier oben hinuntergefallen… oder gestoßen worden… aber das sind nicht die Verletzungen, auf die ich hinaus will.«
Er zog wieder an seiner Zigarette und schien zu zögern.
»Bitte weiter«, ermahnte Van Veeteren. »Der Kommissar und ich haben zusammen fünfzig Jahre in der Branche auf dem Buckel. Du brauchst also keine falschen Rücksichten zu nehmen.«
»All right, wenn du darauf bestehst. Der Körper ist fast nackt und voller Wunden, ganz abgesehen von denen, die durch den Fall entstanden sind. Es gibt Stichwunden am ganzen Körper, und einiges sieht aus wie verätzt, vor allem im Gesicht… in dem, was vom Gesicht noch übrig ist. Er ist nicht zu erkennen. Die Augen sind ausgehöhlt, und sein… sein Penis und seine Hoden sind abgeschnitten worden. Hände und Füße wurden mit Nylonschnur gefesselt. Die Hände auf dem Rücken. Ein paar der Nägel sind rausgezogen. Außerdem hat er großflächige Brandwunden am Körper, vor allem auf der Brust und dem Bauch… es sieht so aus, als hätte jemand Benzin über ihn gekippt und angezündet. Alles deutet darauf hin, dass er… gefoltert wurde… da unten…«
Er zeigte auf einen kleinen Felsvorsprung ein paar Meter den Abhang hinunter. Münster bemerkte ein paar schwarze Flecken auf den Steinen dort und rußige Reste von Stoff oder Kleidung.
»Ob das passiert ist, bevor die Kugel durch seinen Kopf fuhr oder hinterher… ja, das wissen wir noch nicht. Ich habe… ich muss sagen, ich habe noch nie etwas so Schreckliches gesehen.«
Er verstummte. Münster schluckte und sah dem Hubschrauber hinterher, der gerade über dem Berggrat verschwand, unter sich an einem Seil etwas in einem graugrünen Metallkasten tragend. Van Veeteren stand unbeweglich da und spähte die Schlucht hinunter, die Hände auf dem Rücken. Jemand rief von unten etwas auf Griechisch und bekam von Kommissar Yakos eine Antwort.
Nein, dachte Münster. Warum sollte man runterklettern und sich das anschauen, wenn man nicht dazu gezwungen war? Man würde dem Ganzen noch früh genug ins Auge blicken müssen.
Einer der Polizisten kam jetzt von unten mit einer Plastiktüte auf die Fahrbahn, in der etwas Dunkles war, das Münster nicht identifizieren konnte. Yakos nahm es entgegen und überreichte es Van Veeteren, der die Tüte zwei Sekunden lang betrachtete und dann wieder dem jungen Polizisten gab. Kommissar Yakos erteilte ihm auf Griechisch kurz Anweisungen, worauf dieser in eines der Autos stieg, die Stoßstange an Stoßstange am Fahrbahnrand standen.
»Verdammt«, sagte Van Veeteren.
Yakos nickte.
»Sein Penis. Ich sage ja, es ist einfach schrecklich. Was für ein Wahnsinniger war das, der das gemacht hat… hast du etwas in dieser Art erwartet? Was ist eigentlich überhaupt passiert?«
Es verging sicher nicht mehr als eine halbe Minute, bis Van Veeteren antwortete, aber Münster erlebte sie wie eine Ewigkeit. Die Blautöne um sie herum an diesem perfekten Morgen wurden um einige Grade heller. Eine einsame Zikade begann, träge zu zirpen, ein Raubvogel flog von der Küste heran und nahm in etwa den Platz ein, den der Hubschrauber gerade verlassen hatte. Kommissar Yakos warf seine nur halb aufgerauchte Zigarette an den Straßenrand und trat sie aus.
In aller Hast versuchte Münster, diesen ganzen verfluchten Fall im Kopf zu rekapitulieren. Fast gegen seinen Willen. In einem schrägen, rhapsodischen Tempo spielten sich die Bilder in seinem Kopf ab – die kleine Wohnung in der Moerckstraat, der tote Pfarrer und sein bisexueller Freund, Monica Kammerles verstümmelter Körper zwischen den Dünen in Behrensee, das Gespräch mit Anna Kristeva und allen anderen Beteiligten in dieser quälenden, sich hinziehenden Tragödie… die Nadel in dem Schuh in Wallburg, die Sukkulenten und die verschleierte Frau. Ester Peerenkaas. Nemesis. War sie rechtzeitig gekommen, oder was sollte man sonst glauben?
Und der Mörder selbst. Professor Maarten deFraan. Der offensichtlich seine Frau vor fast sechs Jahren genau an diesem Punkt, an dem sie jetzt standen, getötet hatte und der dann den einmal eingeschlagenen Weg weiter verfolgt hatte… weitere vier Menschen hatten ihr Leben lassen müssen, nur weil… ja, weil was?, dachte Münster. Was hatte sich da im tiefsten Inneren seines wahnsinnigen Gehirns verborgen? Gab es überhaupt eine Erklärung dafür? Hatte es einen Sinn, nach einer zu suchen? Nach dieser
Störung,
wie Van Veeteren es ausdrückte.
Vielleicht mit der
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