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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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wenden, und vielleicht gab es ja noch andere Wege zur Hauptstadt hinunter. Als das Auto aus ihrem Blickfeld verschwunden war, ging sie um die Kurve und sah ihn wieder. Er stand neben dem blauroten Scooter, mit dem Rücken zu ihr, und schaute in die Schlucht hinunter. Die fiel steil nach unten, felsige Bergwände ohne Bewuchs, aber auf dem Boden der Kluft, um die dreißig Meter weit unten, gab es ein Durcheinander von vertrockneter, sperriger Vegetation und Müll, den rücksichtslose Autofahrer hinuntergeworfen hatten. Papier, Plastik und leere Dosen. Etwas, das wie ein Kühlschrank aussah.
    Vollkommen unbeweglich stand er da, mit einem kleinen graugrünen Leinenrucksack zwischen den Füßen und einem Revolver in der rechten Hand.
    Sie strich sich mit den Fingern über die gequälte, zerstörte Haut in ihrem Gesicht und schob dann die Hand in ihre Schultertasche. Bekam das umwickelte Eisenrohr zu fassen. Nach allem zu urteilen hatte er sie nicht bemerkt. Gut, dachte sie. Der Abstand zu ihm war nicht größer als zwanzig Meter, sie nahm sich nicht die Zeit zu fragen, warum er dort stand. Warum er einen Revolver in der Hand hatte und welche Pläne er hatte. Es genügte, dass sie ihren eigenen Plan hatte.
    Das war mehr als genug.
    Gott gibt es nicht, dachte sie und ging vorsichtig näher.
    Er bemerkte sie nicht – oder kümmerte sich einfach nicht um sie –, bis sie fast direkt hinter ihm stand. Er war in tiefer Konzentration versunken, wie es schien – aber als er schließlich ihre Schritte hörte und ihre Nähe bemerkte, da zuckte er zusammen und wandte sich ihr eilig zu.
    »Excuse me«, sagte sie auf Englisch und umklammerte das Rohr in der Tasche. »Sie wissen nicht vielleicht, wie spät es ist?«
    »Wie spät?«
    Das war eine absurde Frage hier mitten in dieser kargen Berglandschaft, und er sah sie verwundert an.
    »Ja, bitte.«
    Er hob die Hand – die, in der er nicht den Revolver hatte – und schaute auf seine Armbanduhr.
    »Zwölf«, sagte er. »Es ist eine Minute vor zwölf.«
    Sie bedankte sich und zupfte das Tuch vor ihrem Gesicht zurecht, Er erkennt mich nicht, dachte sie. Er hat keine Ahnung, wer ich bin.
    »Es ist schön hier«, sagte sie und trat einen Schritt näher, als wolle sie an ihm vorbeigehen. Er richtete seinen Blick wieder auf die Schlucht. Antwortete nicht. Der Arm mit dem Revolver hing unbeweglich an seiner Seite. Sie sah, wie ein Raubvogel über dem Bergkamm auftauchte, er flog im Gleitflug einen Kreis und blieb schräg über ihnen hoch in der Luft stehen. Sie zog das Rohr aus der Tasche.
    Gott

dachte sie und hob es hoch in die Luft.
    Er wandte den Kopf und starrte sie den Bruchteil einer Sekunde lang mit halb offenem Mund an. Hob die Waffe, so dass sie auf seinen eigenen Kopf zielte, auf seine rechte Schläfe.
    … gibt es nicht
, dachte sie und schwang das Rohr.

53
    Kommissar Yakos sah nicht besonders munter aus.
    »Er hat bei seiner Geliebten geschlafen, dieser verdammte Taxifahrer«, sagte er. »Deshalb hat er sich erst heute Morgen gemeldet.«
    Er beugte sich vor. Stützte sich mit den Händen auf den Knien ab und atmete schwer. Münster schaute sich um. Die Aussicht war fast atemberaubend schön, und es war schwer, dieses Gefühl der Unwirklichkeit abzuschütteln, das durch dieses ätherische Vormittagslicht verbreitet wurde… dieses Gefühl, er würde noch schlafen und träumen oder an irgendeiner Art surrealistischer Filmaufnahme teilnehmen. Außerdem hatte er schlecht geschlafen, ganz im Gegensatz zu dem gerade erwähnten Taxifahrer, dort unten in seiner höchst greifbaren Einsamkeit des Hotelzimmers. Es war schon nach drei Uhr, als er endlich die Augen schließen konnte.
    Jetzt war es halb elf. Sie befanden sich einige Kilometer oberhalb der Stadt. Die Sonne war eine Handbreit über den hohen Bergkamm im Osten gestiegen und warf ihr Licht über die niedriger gelegenen, kargen Berghänge, über die Olivenhaine unten zur Küste hin und über die vereinzelten weißgekalkten Gebäude auf der anderen Seite der Bucht. Die blauschattierten Silhouetten der kleinen Inseln verloren sich nach Westen hin zum Horizont, der scharf wie ein Nadelstrich war, obwohl das Meer und der Himmel fast die identische Bläue zeigten. Näher heran, einige hundert Meter die Straße hinauf, zeichneten sich ebenso scharf die Ruinen einiger Häuser ab – eine Art Mühle, wie Münster vermutete, eingerahmt von zwei Olivenbäumen.
    Und noch näher dran, geparkt neben der flachen, halb verwitterten

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