Die Schwarze Armee 03 - Das Reich des Lichts
Papa“, erwidere ich mit zitternder Stimme. „Ich muss es wissen! Ihr habt mich in dem Tempel gelassen, stimmt’s? Wo genau?“
„Das brauchst du nicht zu wissen! Deine Geschichte ist sehr traurig, aber meine auch. Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich in all den Jahren gelitten habe. Es verging keine Nacht, in der ich nicht um dich und um sie geweint habe … Hör auf mich, Arturo, mein Sohn! Vergiss die Vergangenheit, sie nützt dir nichts.“
„Ich habe ihn weinen sehen, Arturo“, sagt Norma. „Ich habe gesehen, wie er gelitten hat. Niemand kann nachfühlen, was es heißt, ein Kind zu verlieren. Genauso wenig wie niemand den Schmerz nachempfinden kann, den ein Kind beim Tode seiner Eltern fühlt. Ihr habt beide sehr gelitten, und ich glaube, ihr solltet euch aussöhnen und versuchen, glücklich zu sein.“
„Das will ich doch, Norma!“, rufe ich. „Ich will glücklich sein, und deshalb muss ich alles wissen!“
„Ist es wirklich so wichtig für dich, zu wissen, wo dein erster Körper liegt?“
„Warum begreifst du das nicht? Ich möchte endlich dieses Gefühl der Kälte loswerden, das mich seit vielen Jahren begleitet … Diesem Körper“, ich zeige auf mich, „fehlen die Umarmungen meiner Mutter!“
„Vielleicht wird dich das, was du herausfinden möchtest, nicht trösten“, sagt Norma. „Was meinst du, was passiert, wenn du es weißt? Glaubst du, dein Leben wird sich dadurch irgendwie ändern?“
„Ja, ich glaube, es wird besser. Mein Freund Hinkebein sagt immer, dass ihm manchmal das Bein wehtut, das ihm fehlt. Genauso ist es bei mir! Mir tut der Körper weh, der mir fehlt.“
„Ich kann es dir nicht sagen, Arturo“, erklärt mein Vater. „Aber du kannst unbesorgt sein, er befindet sich an einem sicheren Ort.“
Das Gespräch ist beendet. Aber ich nehme mir vor, nicht eher zu ruhen, bis ich weiß, wo sich mein erster Körper befindet. Irgendwo muss er ja sein, und ich werde ihn finden. Adragón-Ehrenwort!
F ÜNFZEHNTES B UCH
Das Geschlecht Adragón
I
D IE K RÖNUNG DER H OFFNUNG
A LLES WAR FÜR die große Zeremonie vorbereitet. Arturo Adragón sollte zum König von Arquimia gekrönt werden. Der Architekt Andronio hatte einen herrlichen Pavillon entworfen, in dem sich ein Altar, mehrere gepolsterte Sessel mit weichen Kissen und ein doppelter Thron für das neue Königspaar befanden. Von den Mauern des Palastes hingen reich verzierte Banner. Unter einem strahlend blauen Himmel wartete die Menge ungeduldig auf den Beginn der Zeremonie.
Assistiert von zwei ambrosianischen Mönchen, sollte Arquimaes die Krönung vornehmen, zu der auch Priester aus anderen Königreichen gekommen waren.
Könige, Fürsten, Ritter, Offiziere, Edelleute und einfache Bauern hatten sich schon früh eingefunden, um dem Festakt von den vorderen Reihen aus beizuwohnen. Sie wollten Arturo Adragón aus der Nähe bewundern, den Anführer der Schwarzen Armee, den tapferen Ritter, der der Schreckensherrschaft des Großen Finsteren Zauberers Demónicus ein Ende gesetzt hatte. Alle wollten dabei sein, wenn er unter dem Drachenbanner zum König gekrönt werden würde.
Die Menschen sehnten sich nach einem wirklichen Reich der Gerechtigkeit. Nach Jahrhunderten der Barbarei, der Kriege und Tyranneien war die Aussicht darauf für sie wie ein Lichtstreif am Horizont.
Arquimaes und Königin Émedi kamen auf weißen Pferden auf den Platz geritten, gekleidet in prachtvolle Gewänder, eingehüllt in einen Umhang, auf dem das adragonianische Zeichen prangte. Der Alchemist trug das Silberschwert am Gürtel, das die Königin ihm bei der Schlacht um die emedianische Festung geschenkt hatte, damals an dem Tag, als Alexia durch Arturos Hand gestorben war.
Die Soldaten und Offiziere der Schwarzen Armee defilierten in Galauniform zum Klang der Trompeten und Trommeln an ihnen vorbei. Auf ihren Standarten leuchtete der mit Goldfäden aufgestickte Drachenbuchstabe.
Die ambrosianischen Mönche saßen auf einer kleinen Holztribüne und rezitierten mit lauter Stimme Texte aus ihren Büchern.
Während sich noch einige verspätete Gäste dem Ort des Festaktes näherten, erschien Arquitamius, in der Hand ein Kistchen aus Eichenholz. Es enthielt die von ihm selbst entworfene und geschmiedete Goldkrone, die vorn mit einem Drachen verziert war.
Der alte Alchemist legte die Krone vor Arquimaes und Émedi auf ein Kissen, sodass alle sie sehen konnten.
„Diese Krone repräsentiert Arquimia, das Reich der Gerechtigkeit, von dem wir so
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