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Die schwarze Feder

Die schwarze Feder

Titel: Die schwarze Feder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sollen John, seine Frau, die Töchter und der bald vierzehnjährige Sohn Zach der Rache des Rabenmanns entrinnen?

1
    In welchem Jahr sich diese Ereignisse abspielten, ist ohne Bedeutung. Wo sie geschahen ebenfalls. Die Zeit ist jederzeit, und der Ort ist überall.
    Sechs Tage nach den Morden flogen die Vögel plötzlich auf Bäume und in geschützte Verstecke. Kurz nach ihrer Flucht fiel Regen, als hätten ihre Flügel den Himmel aufgeschlitzt. Der lange Nachmittag war so trüb und gedämpft wie das Zwielicht auf Atlantis.
    Auf einer Anhöhe erhob sich vor dem grauen, feuchten Himmel der Umriss der staatlichen Nervenklinik. Das Septemberlicht ließ die Regenfäden scharf wie Messerklingen wirken.
    Ein Spalier aus gut fünfundzwanzig Meter hohen Blutbuchen trennte die beiden Spuren der Zufahrt. Die über die Straße ragenden Äste der Bäume sammelten den Regen, der von dort in dicken Schnüren auf die Windschutzscheibe klatschte.
    Das Klopfen der Scheibenwischer passte zu dem langsamen, schweren Rhythmus, in dem John Calvinos Herz schlug. Er hatte das Radio nicht angestellt. Die einzigen Geräusche kamen vom Motor, von den Scheibenwischern, dem Zischen der Reifen, die sich auf dem nassen Pflaster drehten, und von seiner Erinnerung an die Schreie sterbender Frauen.
    In der Nähe des Haupteingangs parkte er ordnungswidrig unter dem von Säulen getragenen Vorbau. Er legte das Schild mit der Aufschrift POLIZEI aufs Armaturenbrett.
    John war Detective beim Morddezernat, aber dieser Wagen gehörte ihm, nicht der Behörde. Indem er das Schild außer Dienst verwendete, verstieß er womöglich ein wenig gegen die Regeln. Was sein Gewissen plagte, waren jedoch schlimmere Verfehlungen als der Missbrauch polizeilicher Privilegien.
    An Empfangstresen in der Eingangshalle saß eine hagere Frau mit kurz geschnittenem schwarzem Haar. Sie roch nach den Zigaretten, mit denen sie in der Mittagspause ihren Appetit unterdrückt hatte. Ihr Mund war so streng wie der eines Leguans.
    Nachdem sie einen Blick auf Johns Dienstausweis geworfen und sich sein Anliegen angehört hatte, rief sie über die Gegensprechanlage eine Begleitung für ihn herbei. Während sie seinen Namen und seine Ausweisnummer ins Besucherbuch eintrug, umklammerten ihre dünnen Finger den Kugelschreiber so fest, dass die weißen Knöchel wie behauener Marmor in die Luft ragten.
    In der Hoffnung auf ein wenig Klatsch und Tratsch machte sie eine Bemerkung über Billy Lucas.
    Statt darauf zu reagieren, trat John ans nächste Fenster. Er starrte in den Regen, ohne ihn zu sehen.
    Nach einigen Minuten erschien ein breitschultriger Krankenpfleger namens Coleman Hanes, um ihn in den zweiten und obersten Stock zu begleiten. Im Fahrstuhl wirkte Hanes so kolossal wie ein Stier in der Box, der darauf wartet, dass das Tor zum Rodeoring geöffnet wird. Das leichte Schimmern seiner dunklen Haut bildete einen starken Kontrast zu seiner strahlend weißen Uniform.
    Die beiden sprachen über das nicht zur Jahreszeit passende Wetter, über den Regen und die fast winterliche Kälte, obwohl der Sommer offiziell erst in zwei Wochen endete. Über Mord oder Wahnsinn sprachen sie nicht.
    Die Unterhaltung wurde in erster Linie von John bestritten. Der Pfleger war so selbstbeherrscht, dass er direkt phlegmatisch wirkte.
    Aus dem Aufzug traten die beiden in einen kleinen Vorraum. Hinter einem Tisch saß ein Wachmann mit rosigem Gesicht, eine Zeitschrift vor sich.
    »Sind Sie bewaffnet?«, fragte er.
    »Mit meiner Dienstpistole.«
    »Die müssen Sie mir geben.«
    John zog die Waffe aus dem Schulterholster und gab sie ab.
    Auf dem Tisch stand ein Touchscreen. Als der Wachmann auf ein Symbol drückte, öffnete sich das elektronische Schloss der Tür zu seiner Linken.
    Coleman Hanes ging voraus in einen scheinbar völlig gewöhnlichen Krankenhausflur: graue Kunststofffliesen, blassblaue Wände, weiße Decke mit Neonleuchten.
    »Wird man ihn irgendwann auf eine offene Station verlegen oder bleibt er dauerhaft hier unter Bewachung?«, fragte John.
    »Ich würde ihn hier behalten. Aber das entscheiden die Ärzte.«
    Hanes trug einen Werkzeuggürtel, in dessen Taschen eine kleine Dose Pfefferspray, ein Elektroschocker, Plastikhandschellen und ein Funkgerät steckten.
    Sämtliche Türen waren verschlossen. Jede war mit einem Tastaturschloss gesichert und mit einem Guckloch versehen.
    »Doppelt verglast«, sagte Hanes, als er Johns interessierten Blick bemerkte. »Die innere Scheibe ist bruchsicher, die

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