Die Schwarze Keltin
Gesicht, daß ich dich ins Meer zurückscheuchen werde, wenn du je wieder ungebeten mein Land betrittst. Für diesmal nimm deinen Lohn und ziehe in Frieden.«
»Dann übergebe ich hiermit deinen Bruder Cadwaladr«, erwiderte Otir ebenso kühl. »Ich überlasse ihn sich selber, nicht deinen Händen, denn das war kein Teil unseres Handels. Er mag nach eigenem Gutdünken gehen oder bleiben und sehen, wie er mit dir einig wird, mein Fürst.« Damit wandte er sich zu den Männern um, die noch immer den Galle sprühenden Cadwaladr zwischen sich hielten. Man hatte ihn zu einem Nichts degradiert, wie ein nutzloses Stück Vieh. Andere Männer hatten die Sache zwischen sich ausgehandelt, obwohl sich doch alles nur um ihn allein gedreht hatte. Während andere als er über seine Person, seinen Besitz und seine Ehre verfügten und ihm damit unmißverständlich ihre Abscheu bewiesen, hatte er geschwiegen. Jetzt fehlten ihm die Worte, aber er mußte die Verbitterung und Wut, die in seiner Kehle aufstiegen und ihm die Zunge verbrannten, mühsam zurückhalten, als seine Gefangenenwärter ihn losließen, zurücktraten und ihm zum Abschied den Weg freimachten. Steif marschierte er das Ufer hinauf, auf die Stelle zu, wo sein Bruder ihn erwartete.
»Belade deine Schiffe!« sagte Owain. »Ihr habt diesen einen Tag Zeit, um mein Land zu verlassen.«
Damit wendete er sein Pferd, drehte ihnen den Rücken zu und trabte in gemessenem Tempo seinem eigenen Lager entgegen. Hinter ihm schlossen sich die Reihen seiner Männer zu geregelter Marschordnung, und die angeschlagenen und verschmutzten Überlebenden von Gwions Armee nahmen ihre Toten auf und trotteten hinterdrein. An dem zertrampelten und von Blut besudelten Strand blieben nur die Treiber mit ihrem Vieh zurück und Cadwaladr, der einsam und abseits von allen anderen unter einer schwarzen, abstoßenden Wolke von Mißgunst und Erniedrigung hinter seinem Bruder herstapfte.
Als sie Gwion in sein weiches Lager aus Gras gebettet hatten, öffnete er die Augen und sagte mit dünner, aber klar verständlicher Stimme: »Ich muß Owain Gwynedd noch etwas sagen. Ich muß zu ihm gehen.«
Cadfael kniete neben ihm und versuchte mit allem Leinen, das er bei der Hand hatte, das Blut zu stillen, welches unter den dicken Lagen Stoff unaufhaltsam aus einer tiefen Wunde direkt unter dem Herzen des jungen Mannes quoll. Cuhelyn, der mit Gwions Kopf im Schoß bei ihm kniete, hatte ihm den Blutschaum von seinem geöffneten Mund und den Schweiß von der Stirn gewischt, die vom Herannahen des Todes schon ganz kalt und fahl war. Er sah zu Cadfael auf und sagte kaum vernehmbar: »Wir müssen ihn zurück ins Lager tragen. Es steht ernst um ihn. Es muß sein.«
»In dieser Welt geht er nirgendwo mehr hin«, sagte Cadfael ruhig. »Wenn wir ihn aufnehmen, wird er uns unter den Händen wegsterben.«
Über Gwions Lippen zuckte so etwas wie der blasse Schimmer eines kurzen Lächelns, und doch war es ein Lächeln.
Im selben gedämpften Ton, in dem auch sie gesprochen hatten, sagte er: »Dann muß Owain zu mir kommen. Ihm steht mehr Zeit zu Gebote als mir. Er wird kommen. Diese Sache wird er wissen wollen, und niemand sonst kann sie ihm sagen.«
Aus Angst, daß sie ihm lästig sein könnten, wo doch nun alle Last nur allzu schnell von ihm genommen werden sollte, strich Cuhelyn Gwion mit ruhiger und sanfter Hand den wirren Schopf feuchter schwarzer Haare aus der Stirn. Alle Feindschaft war verflogen. Es gab für sie keinen Platz mehr. Und auf ihre verquere Art waren sie Freunde gewesen. Sie erkannten einander im verstümmelten Abbild des jeweils anderen.
»Ich werde ihm nachreiten. Gedulde dich. Er wird kommen.«
»Reite schnell!« sagte Gwion und schloß die Lippen über einem verzerrten Lächeln.
Schon auf den Beinen und die Hand bereits nach dem Zügel seines Pferdes ausgestreckt, zögerte Cuhelyn noch einmal.
»Nicht Cadwaladr? Soll er vielleicht kommen?«
»Nein«, sagte Gwion und wandte in einer Aufwallung von Schmerz den Kopf ab.
Otirs letzter Verteidigungsschlag, der niemals zum Töten gedacht gewesen war, war genau in dem Moment vorgeschnellt, als Owain sein Mißfallen herausdonnerte und die Reihen auseinandertrieb, und Gwion hatte sein gezücktes Schwert und alle Wachsamkeit fahren lassen und dem Stahl die Seite dargeboten. Nun kam jede Hilfe zu spät, es war geschehen und ließ sich nicht mehr ungeschehen machen.
Cuhelyn war seinem Wort getreu bereits eilig auf dem Weg und ließ den Sand um die Hufe
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