Die Schwarze Keltin
anderem als seinem Vater mitzureiten. Waren sie erstmal in Maesbury, würde das ruhige und verträgliche Packpferdchen den Sommer über sein Reitpferd werden, und der Knecht, der es führte, würde sein zurückhaltender Wächter auf seinen Ausflügen sein. Wie die meisten Kinder, die noch niemals Grund zur Angst gehabt haben, war er zu Pferde furchtlos.
Aline nannte es tollkühn, doch zögerte sie, Warnungen auszusprechen, vielleicht, weil sie nicht sicher war, daß sie auch befolgt würden.
Um die Pferde auszuruhen und sich etwas zu erfrischen, hielten sie mittags unten am Hügel bei Ness, wo ein Pächter von Hugh wohnte. Bevor der Nachmittag zur Hälfte um war, hatten sie Felton erreicht, und von dort machten Aline und ihre Begleiter sich auf den Weg nach Maesbury. Hugh entschied sich jedoch, mit seinen Freunden noch bis zu den Ausläufern von Oswestry zu reiten. Giles fügte sich quengelnd und wurde in die Arme seiner Mutter übergeben.
»Gott behüte euch auf euren Wegen!« sagte Aline. Ihr blonder Kopf wirkte zart und hell wie der eines Kindes. Der Abglanz des Frühlings lag auf ihrer Miene und in ihrem sonnigen Lächeln. Sie machte vor ihnen das kleine Kreuzzeichen in die Luft, bevor sie ihr Maultier nach links wendete.
Befreit von Gepäck und Weibervolk, ritten sie rasch die wenigen Meilen weiter bis Whittington, wo sie unter den Mauern des kleinen hölzernen Wehrturms anhielten. Oswestry selbst lag zu ihrer Linken, auf Hughs Heimweg. Mark und Cadfael mußten weiter nach Norden. Hier waren sie genau im Grenzland, einem Gebiet, das schon Jahrhunderte vor den Normannen abwechselnd walisisch oder englisch gewesen war.
Die Namen der Dörfer und Menschen klangen eher walisisch als englisch. Hugh lebte zwischen den beiden ausgedehnten Trennwällen, die die Könige von Mercia vor langer Zeit errichtet hatten, um festzulegen, wo sie herrschten und das Sagen hatten. Keine Streitmacht sollte hier eindringen können, und keiner, der von der einen auf die andere Seite wechselte, sollte irgendeinen Zweifel daran haben, unter welchem Gesetz er hier stand. Nicht weit von dem Landhaus entfernt lag im Osten der niedrigere Erdwall, schon verwittert und streckenweise abgetragen. Nach Westen hin war der höhere Wall errichtet worden. Dort war es Mercia einst gelungen, seine Herrschaft noch tiefer hinein nach Wales auszudehnen.
»Hier muß ich euch verlassen«, sagte Hugh, der über den Weg, den sie gekommen waren, und nach Westen auf Stadt und Burg zurückschaute. »Schade! Bei diesem Wetter wäre ich gern mit euch bis nach Sankt Asaph geritten, aber Gefolgsleute des Königs sollten sich von den Angelegenheiten der Kirche besser fernhalten, um nicht ins Kreuzfeuer zu geraten. Ich möchte Owain um keinen Preis auf die Zehen treten.«
»Du hast uns jedenfalls so weit begleitet, wie Bischof Gilberts Wort gilt«, sagte Bruder Mark und lächelte. »Sowohl diese Kirche wie auch eure zu Sankt Oswald unterstehen jetzt dem Bischof von Sankt Asaph. Is t dir das aufgefallen? Hier im Nordwesten hat Lichfield einen großen Streifen von Gemeinden verloren. Ich denke, Canterbury verfolgt mit Absicht die Politik, ein grenzüberschreitendes Bistum zu schaffen, um der Trennung zwischen Engländern und Walisern ihre Bedeutung zu nehmen.«
»Owain wird auch etwas dazu zu sagen haben.« Hugh grüßte sie mit einer erhobenen Hand und begann, sein Pferd zu wenden, um die Straße zurückzureiten, heimwärts. »Geht mit Gott und gute Reise! Wir werden euch so in zehn Tagen wiedersehen.« Er war schon einige Schritte entfernt, als er über die Schulter zurückschaute und ihnen nachrief: »Paß auf, daß er nichts anstellt! Wenn du kannst!« Doch es war nicht klar, an wen er seine Aufforderung nun gerichtet hatte, oder wem seine Zweifel galten. Das konnten sie unter sich ausmachen.
2. Kapitel
»Ich bin eigentlich zu alt«, stellte Bruder Cadfael selbstzufrieden fest, »um auf solche Abenteuer auszuziehen.«
»Du arme alte Seele«, sagte Mark und sah ihn von der Seite an, »davon hast du keinen Ton gesagt, bis wir Shrewsbury ganz hinter uns gelassen hatten und dich keiner mehr beim Wort nehmen und bitten konnte, doch daheim zu bleiben.«
»Was bin ich doch für ein Narr gewesen!« stimmte Cadfael ihm bereitwillig zu.
»Immer wenn du beginnst, über dein Alter zu klagen, weiß ich, womit ich es zu tun habe. Dann legst du dich ins Zeug wie ein Pferd, das der Hafer gestochen hat. Wir haben es mit Bischöfen und Kanonikern zu tun«, sagte Mark
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