Die Schwarze Keltin
»Was ist es, Junge, das du uns nicht erzählt hast? Heraus damit! Wer geht mit dir?«
»Aber ich habe euch doch gesagt«, sagte Mark, »daß ich weiter nach Bangor reise. Bischof Gilbert ist Normanne und spricht sowohl Französisch als auch Englisch, doch Bischof Meurig ist Waliser, und er und viele seiner Leute sprechen kein Englisch, und mein Latein würde mir nur bei den Geistlichen helfen. Also ist mir ein Dolmetscher gestattet worden. Bischof Roger hat in seiner Umgebung niemand, der Walisisch spricht und ihm nahe steht oder doch sein Vertrauen verdient. Ich habe ihm daraufhin einen Namen vorgeschlagen, den er noch gut in Erinnerung hat.« Das Funkeln war zu einem Strahlen geworden, das sein Gesicht erleuchtete. Sein Abglanz erhellte auch Cadfaels verblüffte Augen. »Ich habe das Beste bis zum Schluß aufgespart«, sagte Mark begeistert. »Ich habe die Erlaubnis, mir meinen Mann selbst auszusuchen. Falls Abt Radulfus zustimmt, kann ich selbst meinen Reisegefährten bestimmen. Ich habe dem Abt versprochen, daß ich seinen Mann nicht länger als zehn Tage brauche. Wie kann ich denn überhaupt Schiffbruch erleiden«, fragte Mark vernünftig, »wenn du mich begleitest?«
Es war für Bruder Cadfael eine Sache des Prinzips, oder vielleicht der Ehre, wenn sich vor ihm eine Tür plötzlich und unerwartet öffnete, so ein Angebot anzunehmen und hindurchzugehen. Wenn sich die Tür mit Ausblick auf Wales öffnete, war er sogar stets besonders behende gewesen und geradezu in Laufschritt verfallen, bevor die Tür sich vor dem bezaubernden Ausblick wieder schließen konnte. Hier ging es nicht einfach auf einen Sprung über die Grenze nach Powys, sondern um einen Ritt von einigen Tagen in genau der Gesellschaft, die er sich selbst gern ausgesucht hätte, durch das Küstenland von Gwynedd, von Sankt Asaph nach Carnarvon, vorbei an Aber of the Princes und dem gewaltigen Massiv von Moel Wnion. Sie würden Zeit haben, jeden Tag zu bereden, den sie getrennt gewesen waren, und sie würden Zeit haben, wieder in das freundliche Schweigen zu verfallen, nachdem alles gesagt war, das gesagt werden mußte. Und all das war ein Geschenk von Bruder Mark. Wunderbar, welche Reichtümer ein Mann bescheren konnte, der aus freiem Entschluß oder Berufung nichts sein eigen nannte! Die Welt war doch voller kleiner, wohltätiger Wunder.
»Sohn«, sagte Cadfael herzhaft, »für diese Wohltat werde ich unterwegs gern dein Pferdeknecht und auch dein Dolmetscher sein. Es gibt nichts, womit du oder sonst jemand mir ein größeres Vergnügen hätte bereiten können. Hat Radulfus denn wirklich zugestimmt, daß ich mitkommen kann?«
»Das hat er«, versicherte ihm Mark, »und du hast die freie Auswahl, dir aus den Ställen ein Pferd auszusuchen. Du hast noch heute und morgen, um deine Vorbereitungen mit Edmund und Winfrid für die Zeit zu treffen, die du abwesend sein wirst, und die Stunden des Gebets so genau einzuhalten, daß sogar eine verirrte Seele wie deine sicher nach Bangor und zurückgelangen sollte.«
»Ich habe mich sehr gebessert und bin ganz tugendhaft«, sagte Cadfael unendlich zufrieden. »Hat das nicht der Himmel gerade gezeigt, indem er mich freigibt nach Wales? Glaubst du, ich riskiere jetzt seine Mißbilligung?«
Da zumindest der erste Teil von Marks Mission öffentlich und demonstrativ gemeint war, gab es keinen Grund, wieso nicht jede Seele in der Enklave ein gesteigertes Interesse daran haben sollte. Es gab keinen Mangel an ungebetenen Ratschlägen von allen Seiten, wie Mark am besten vorgehen sollte. Besonders der alte Bruder Dafydd im Siechenhaus tat sich dabei hervor, der seinen walisischen Geburtsort Duffryn Clwyd seit vierzig Jahren nicht gesehen hatte, doch immer noch überzeugt war, ihn so gut zu kennen wie die Innenfläche seiner alten Hand. Sein Vergnügen an der Wiederbelebung des alten Bistums wurde ihm durch die Ernennung eines Normannen ein wenig versalzen, doch die leichte Aufregung hatte ihm ein neues Interesse am Leben verschafft, und er verfiel gern in seine Muttersprache und war redselig, als Cadfael ihn aufsuchte. Im Gegensatz dazu hatte Abt Radulfus nichts außer seinem Segen beizutragen. Die Mission gehörte Mark und mußte sorgfältig in seinen Händen gelassen werden. Prior Robert ersparte sich jeden Kommentar, obwohl in seinem Schweigen eine gewisse Mißbilligung lag. Ein Gesandter von seiner Würde und Präsenz wäre an bischöflichen Höfen passender gewesen!
Bruder Cadfael überprüfte seine
Weitere Kostenlose Bücher