Die schwarze Schatulle
immer. In der Dunkelheit erkannte sie mich nicht.
»Wer ist da«, fragte sie.
»Schabi«, sagte ich.
»Ach, Schabi, Benjis Freund?« Sie schaute sich um, als suche sie jemanden. Ich wusste, wen sie suchte, den Rottweiler, der ein schlafender Pudel geworden war, und tatsächlich fing sie an zu rufen: »Devil, Devil!« In der Dunkelheit konnte sie ihn nicht vor der Mauer liegen sehen.
»Benji ist gerade unter die Dusche gegangen«, sagte sie. Man sah ihr an, dass sie sich noch über den Hund wunderte. »Ich glaube nicht … es ist spät … vielleicht morgen.«
Aber ich wollte überhaupt nicht hineingehen. Sie sollte nicht sehen, wie sehr er mich hasste. Benji hatte ihr sicher nichts erzählt, sie dachte immer noch, dass wir Freunde wären. Ich wollte auch nicht, dass sie die andern sah, bevor wir uns entschieden hatten, wie es weitergehen sollte. Es reichte mir zu wissen, dass er zu Hause war und nicht allein. Ich verabschiedete mich also und sie schloss das Tor. Sie schloss es wirklich und legte auch den Riegel vor. Langsam lief ich den Hang hinunter und auf dem ganzen Weg hörte ich sie noch rufen: »Devil! Devil!«
11. Kapitel
»Du musst jetzt nach Hause«, flüsterte ich Uri zu, als wir ins Auto stiegen. »Falls meine Mutter anruft, sag ihr … Ach, dir wird schon was einfallen.«
»Warum kommst du nicht mit mir? Warum schläfst du nicht bei mir, wie du es ihr gesagt hast?« Uri war ziemlich empört.
Auch ich fing an, mich zu ärgern. Früher war eines gut an Uri gewesen, abgesehen von anderen Dingen, nämlich dass er keine Fragen stellte. Bis heute hatte er alles, was ich ihm sagte, ohne Widerrede akzeptiert. Auf einmal wollte er alles genau wissen. Er war doch nicht Rachel, unsere Schuldirektorin. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, einen Streit mit ihm anzufangen. Ich sagte also, ich müsse mit Hirsch und Joli zurückfahren, um das Protokoll unserer heutigen Tätigkeiten zu schreiben.
»Klar«, sagte Uri. »Ich weiß genau, dass es nicht deswegen ist.« Wir saßen auf dem Rücksitz und er trommelte von innen gegen die Tür. »Aber egal.«
Ich fragte ihn nicht, was er meinte. Nicht dass ich keine Vermutung gehabt hätte, aber ich fürchtete, wenn er anfangen würde zu sprechen, auch nur zu flüstern, würden es Hirsch und Joli mitbekommen.
»Kommt ihr mit zu uns«, fragte Hirsch.
Ich zwickte Uri und er sagte: »Ich kann nicht, ich muss nach Hause. Ich werde erwartet.«
Hirsch brachte ihn zum Felafel-Stand von Maurice an der Ecke und ich fuhr mit ihnen weiter.
Wir saßen im großen Zimmer und Hirsch sagte, wir sollten warten. Nach ein paar Minuten kam er mit einem großen Tablett, auf dem ein Kessel und drei Tassen standen, dazu eine Zuckerdose und ein Teller mit Käsebroten. Er goss uns starken, fast schwarzen Tee ein. Dann schaute er zu, wie ich aß, und hielt mir noch eine Scheibe hin. Auch als ich fertig gegessen und getrunken hatte, schaute er mich immer noch schweigend an.
»Darling«, sagte er zu Joli, die ihre große Tasse in beiden Händen hielt. Auf Englisch sagte er ihr, sie solle eine Mappe bringen, die auf irgendeinem Schrank lag. Und sie solle aufpassen, dass sie nicht von der Leiter fiele. Und uns eine Weile allein lassen. Das alles übersetzte Joli nicht, ich verstand es auch so.
Joli schaute ihn an und stellte die Tasse hin. Sie verließ das Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Hirsch setzte sich neben mich aufs Sofa.
»Ich sehe, du hast Problem«, sagte er.
Ich schwieg.
Er fragte, ob ich jemanden hätte, mit dem ich meine Probleme besprechen könne.
Ich machte eine vage Handbewegung.
Er fragte, ob ich nicht mit meinen Eltern sprechen könne.
Ich sagte, das würde ich tun, selbstverständlich.
»Und warum jetzt nicht«, fragte er.
Ich sagte, es würde jetzt gerade nicht passen. Ich dachte er würde sich einfach vor Schwierigkeiten fürchten, wie alle Erwachsenen, und wolle die Verantwortung für die Nachforschungen nicht übernehmen, ohne dass meine Eltern Bescheid wussten.
Hirsch legte den Kopf schräg. »Passt nicht für wen«, fragte er. »Für Mutter oder für Vater?«
Ich schwieg. Er fragte, ob ich glaubte, er habe Angst, in Schwierigkeiten zu kommen.
Ich schaute ihm direkt in die Augen und sagte: »Ja.«
Eine Weile sagte er nichts. Dann lächelte er und meinte, ich sei ein kluger Junge.
Ich senkte den Kopf.
»Es stimmt«, sagte er. »Aber es ist nicht nur das.«
Ich schwieg.
»Du mir glauben«, fragte er.
Ich schaute ihm noch einmal in die
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