Die Schwarze Schwesternschaft
Inneren weiß sie, dass es keine wirkliche Bedrohung gibt und sie sich in völliger Sicherheit befindet.« Magda seufzte. Sie dachte daran, dass sie das Kind, das Lexie gewesen war, für kurze Zeit lieb gehabt hatte.
»Aber du glaubst diese Erklärung nicht«, sagte Camilla nachdenklich.
»Camilla, ich bin mir bewusst, dass ich gelogen habe.«
»Aber warum hast du gelogen? Was ist tatsächlich mit Lexie Anders passiert?«
Ehe sie antwortete, fasste Magda nach Camillas Hand. »Es war mein vierter Abend in diesem Haus, meine allererste Schulungssitzung als Entsagende, erinnerst du dich? An demselben Abend fand ein Treffen der Gesellschaft statt, die sich die Schwesternschaft nennt. Weißt du noch, dass ich deine Frage nicht mitbekam und du mich wegen meiner Unaufmerksamkeit gescholten hast?«
»Eigentlich nicht«, gab Camilla zu. »Warum? Und was hat die Schwesternschaft mit Lexie Anders zu tun?« Sie streckte den Arm über die Bank, nahm sich ihren Becher mit kaltem Tee und trank.
Magda erbot sich: »Ich werde dir frischen Tee aufschütten.« Sie goss beide Becher voll und ging dann, den Kessel wieder mit Wasser zu füllen.
Erkennend, dass sie sich um die Antwort drückte, sagte sie: »Bei diesem Treffen sah ich - etwas. Ich wusste damals nicht, wie ich es nennen sollte, ich hielt es für… für eine Gedankenform der Göttin Avarra. Natürlich dachte ich damals, es sei eine Halluzination, nicht etwas, das richtig da war.«
Camilla bestätigte: »Das habe ich bei Treffen der Schwesternschaft auch schon erlebt. Du weißt ja, dass die Gilde der Entsagenden aus zwei Gesellschaften gebildet wurde: der Schwesternschaft vom Schwert, die eine Soldaten-Kaste war, und den Priesterinnen Avarras, die Heilerinnen waren. Ich glaube, die Schwesternschaft beschwört Avarra bei ihren Treffen herauf. Aber ich muss noch einmal fragen: Was haben die religiösen Praktiken der Schwesternschaft mit Lexie Anders zu tun?«
Magda stützte sich mit ihren Fäusten auf den Tisch. Ihr Gesicht verzog sich vor Anstrengung, die Erinnerung zurückzurufen. Sie brachte nicht mehr als ein entsetztes Flüstern über die Lippen. »Noch zweimal habe ich - etwas gesehen. Nicht die Göttin Avarra. Verhüllte Gestalten. Ein Geräusch wie - das Krächzen von Krähen. Einmal fragte ich: Wer seid ihr?«
Als Reaktion auf die Angst Magdas senkte auch Camilla die Stimme. »Haben sie… hast du eine Antwort bekommen?«
»Keine, die für mich einen Sinn ergab. Ich hörte die Worte - nein, ich hörte sie nicht, ich spürte sie: Die schwarze Schwesternschaft. Etwas… « Es war so mühsam, als wolle sie sich bei Tageslicht einen Traum ins Gedächtnis zurückrufen. »Nur dass sie Wächterinnen von irgendetwas seien, aber sich nicht einmischen könnten. Und gerade als ich den Punkt erreicht hatte, wo Lexie den Absturz von neuem erlebte, sah ich das. Wieder.«
Die Kehle schnürte sich ihr zusammen, ihre Stimme war nur noch ein Hauch. »Mauern. Eine Stadt. Verhüllte Gestalten. Dann das Krächzen von Krähen. Und nichts mehr. Danach - nichts mehr.«
4. Kapitel
Camilla wandte sich ab und schob die glühenden Holzscheite zusammen. Sie fühlte nach, ob die Beine von Magdas Hose schon trocken waren.
»Lass sie noch ein paar Minuten hängen«, sagte sie.
»Camilla! Du weißt etwas über die Schwesternschaft. Was ist sie?«
Camilla machte sich weiter mit den halb getrockneten Kleidungsstücken zu schaffen.
»Wenn ich es wüsste«, erwiderte sie, »wäre ich wie Marisela verpflichtet, es geheim zu halten. Was glaubst du wohl, warum diese Leute das, was sie wissen, nicht zum Bestandteil der regulären Schulungssitzungen machen? Geheimnisse, pah! Marisela bemühte sich einmal, mich zu überreden, dass ich ihnen beitrete. Ich wollte nicht, und da war sie sehr ärgerlich auf mich. Warst du nicht ärgerlich, als Lexie sich weigerte, sich der Penta Cori’yo anzuschließen?«
Das war etwas anderes, dachte Magda, doch sie konnte nicht definieren, wieso. Sie war es nicht gewöhnt, sich gegen Camilla zu verteidigen, jetzt nicht mehr.
»Magst du Marisela nicht?«
»Doch, gewiss. Es fällt mir nur nicht ein, sie zur Bewahrerin meines Gewissens zu machen, und natürlich verzeiht sie mir das nicht. Aber als sie mir vorschlug, ich solle zu ihnen kommen, erzählte sie mir etwas über die ursprünglichen Ziele der Schwesternschaft. Zum größten Teil lässt es sich nach unserm Eid
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