Die Schwarze Schwesternschaft
mehr!«, keuchte sie.
Magda ging es ebenso. »Folge dem Pferd. Es kann besser sehen als du.« Wie lange konnten sie nach Jaelles Ansicht noch weitergehen in diesem Zwielicht und bei einem so heftigen Wind, dass er ihre Gesichter fast waagerecht traf und sie mit Eisnadeln bewarf?
Magda sah so gut wie nichts mehr, aber sie spürte, dass sich die Tiere auf einem breiteren Absatz um sie scharten. Hier war die überhängende Klippe zu einer Art Schutzdach ausgehöhlt worden. Vanessa kam herbei, und sie standen im Kreis zusammen.
Jaelle sagte: »Es ist ausgeschlossen, dass wir noch heute Abend hinüberkommen. Wir müssen irgendwo biwakieren, und dies ist der sicherste Platz.«
Vanessa fragte: »Haben wir keine Laternen mit?«
Jaelle schüttelte den Kopf. »Sie würden uns nichts nützen. Der Boden ist zu schlecht. Wir müssen mit gefrorenem Schnee auf den Simsen rechnen. Bei Tageslicht, wenn wir alle frisch und kräftig sind, werden wir es von neuem versuchen. Hört euch das an!« Der Wind heulte von den Klippen über ihnen hernieder, und von irgendwo kam ein langer, unheimlicher Schrei - der Ruf eines Banshees. Erschauernd dachte Magda an ihre einzige Begegnung mit diesen Kreaturen im Scaravel-Pass. Sie hoffte, dieses Banshee war ein gutes Stück von ihnen entfernt.
Jaelle sagte: »Platz für ein richtiges Lager haben wir nicht, aber der Überhang gibt uns ausreichend Schutz. Die Chervines kommen nach außen. Sie haben einen sichereren Tritt als die Pferde.«
Magda zündete ein Feuer an, um für die heißen Getränke Schnee zu schmelzen. Viel gekocht konnte in der Enge nicht werden. Bis die Getränke fertig waren, hatten die anderen die Schlafsäcke ausgebreitet. Der Schnee zischte in weißen Streifen an der Laterne vorbei, und die Kälte war so grimmig, dass sie sich unter den aufgehäuften Decken zusammendrängten, Magda und Vanessa links und rechts von Cholayna. Mit steifen, zitternden Fingern zog die ältere Frau sich die Stiefel aus. Ihre Füße waren blass und geschwollen. Vanessa nahm sie in ihren Schoß und wärmte sie in ihren Händen.
Cholayna wollte protestieren. Vanessa sagte: »Cholayna, ich bin eine alte Bergsteigerin und weiß über Füße und Erfrierungen mehr, als du je gehört hast. Trink deinen Tee.«
»Ich habe keinen Durst. Ich glaube, ich kann nicht einmal schlucken.«
»Ein Grund mehr. Komm, du musst ihn trinken. In dieser Höhe musst du Flüssigkeit zu dir nehmen, weil der Körper versucht, die peripheren Systeme abzuschalten, um den Torso zu schützen. Deshalb erfrieren dir die Füße. So ist’s recht, wackele mit den Zehen, so viel du kannst! Dein Körper beginnt, sein eigenes Muskelgewebe zu fressen, verstehst du, und du musst trinken, damit deine Nieren nicht aufhören zu funktionieren. Das ist die erste Lektion für das Überleben in großen Höhen - nicht etwa, dass wir hier besonders hoch wären, aber immerhin höher, als du es gewohnt bist. Trink aus, und dann iss das hier.« Sie reichte Cholayna einen Trockenobstriegel, klebrig vor Nüssen und Honig. Cholayna versuchte pflichtschuldigst zu essen, aber Magda sah, dass sie zu müde zum Kauen war. Sie nahm Cholayna den Riegel ab und weichte ihn in dem heißen Tee ein, damit er leichter zu schlucken war, ein Trick, den sie vor langer Zeit auf ihren Reisen gelernt hatte. Dann löffelte sie noch mehr Zucker in den Becher und gab ihn Cholayna zurück.
»Hinunter damit - ganz gleich, wie es schmeckt.«
»Das Gleiche gilt für dich, Magda«, bemerkte Jaelle trocken. »Du hast deine Ration liegen lassen. Iss sie auf, bevor du dich schlafen legst.«
Magda steckte den Tadel ein. Sie war so erschöpft, dass sie keine Lust hatte, in ihrem Bündel nach sauberen Socken zu suchen, aber sie tat es doch und schob ihre Stiefel unten in den Schlafsack. Jaelle und Camilla nahmen in ihre Schlafsäcke gefüllte Wasserflaschen mit. Die Körperwärme würde verhindern, dass sie gefroren. Sie breiteten zusätzliche Decken über sämtliche Schlafsäcke und drängten sich zusammen, denn kein bisschen Wärme durfte verloren gehen.
Vanessa nahm den äußeren Platz ein, Cholayna lag zwischen ihr und Magda, und an sie schmiegten sich Jaelle und Camilla. Magda war zu müde, um zu schlafen. Sie hörte am Atem der anderen Frauen, dass eine nach der anderen in Schlummer sank. Sie jedoch lag wach. Cholaynas Lungen rasselten. Jaelle hustete ein bisschen im Schlaf. Magda spürte Camillas
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