Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
Dorfbewohner, die auf das Feuer zuliefen. »Komm schon, Welpe. Es ist an der Zeit aufzubrechen.«
Er folgte dem Prinzen zu der kleinen Kutsche – und hoffte,
dass der Ort, an den er ging, schöner wäre als das Spukhaus.
Selbst wenn er zur Schule gehen müsste.
Saetan konnte die kalten Wellen im Abgrund spüren, die aus der Tiefe von Schwarz emporstiegen, und wusste, was auf ihn zukam. Wer auf ihn zukam.
Er legte den Stapel Bücher beiseite, die er gerade katalogisierte, und blickte Geoffrey an. »Warum gehst du nicht ins Nebenzimmer und erwärmst uns etwas Yarbarah?«
»Warum sollte ich dazu ins Nebenzimmer gehen müssen?« Geoffrey folgte Saetans Blick und betrachtete die Tür. Dann zog er sich in das kleine Zimmer zurück, das ihm als Büro diente.
Saetan wartete. Spürte, wie der Sturm immer näher kam.
Als er von den Vorfällen in jenem dhemlanischen Dorf gehört hatte, war ihm klar gewesen, weshalb Lucivar zum Bergfried gekommen war, um ihm Bericht zu erstatten. Und er hatte gewusst, warum – und wann – Daemon durch jene Tür schreite würde.
Die Tür ging auf. Sein wunderschöner, tödlicher Sohn stand im Türrahmen.
Saetan stand reglos da, während er die kalten, glasigen Augen musterte.
»Hat Lucivar dir von dem Jungen, dem kindelîn tôt erzählt?«, fragte Daemon.
»Das hat er.«
»Ich habe ihn hergebracht.«
»Das geht in Ordnung. Ich werde einen Ort für ihn finden.«
Er wusste, wie viel Brutalität eine langsame Hinrichtung erforderte. Es gab Zeiten, da bezahlte auch der Henker einen Preis für die Art Gerechtigkeit, die unter den Angehörigen des Blutes herrschte.
»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte Saetan.
Ihre Blicke trafen sich. Einen langen Moment.
»Du hast recht gehabt«, sagte Daemon eine Spur zu sanft. »Ich werde diese Härte nie verlieren.«
Die Tür der Bibliothek schloss sich mit obszöner Sanftheit, als Daemon ging.
Ein Zittern durchlief Saetan und er gestattete sich einen Augenblick der Übelkeit – und des Mitleids. Daemon hatte schon früher getötet, und er bezweifelte nicht, dass Daemon wieder töten würde. Doch eine formelle Hinrichtung, die ausgeführt wurde, weil die Pflicht es verlangte, war etwas anderes. Sie wurde auf bestimmte Weise ausgeführt, eben weil die Pflicht es verlangte.
Man hatte den Preis einzufordern. Sicherzustellen, dass die Blutschuld vollständig beglichen wurde.
Er drehte sich nicht um, als Geoffrey in das Zimmer zurückkam und ihm ein Glas warmen Yarbarah entgegenhielt.
»Du hast ihn nicht gefragt, was er getan hat«, sagte Geoffrey.
Saetan griff nach dem Glas Yarbarah und starrte den Blutwein lange Zeit an, bevor er seinen Freund betrachtete.
»Er ist ein Spiegel, Geoffrey. Ich habe nicht fragen müssen.«
Daemon stützte sich mit den Händen an der Wand der Dusche ab und ließ das heiße Wasser über sich strömen.
Er wusste längst nicht mehr zu sagen, wie viele Angehörige des Blutes er in seinem siebzehnhundert Jahre langen Leben umgebracht hatte. Bei manchem war es ein rascher Wutausbruch gewesen; bei anderen ein exquisiter, schrecklich langsamer Todestanz voller Qualen.
Er hatte sich nach dem Töten niemals besudelt gefühlt. Bis heute.
Denn es war keine persönliche Angelegenheit gewesen. Das Spielchen, das er mit Jenkell gespielt hatte? Ja, das war eine persönliche Angelegenheit gewesen. Er hatte den Sadisten zu einem Schatten umgebildet und hatte ihn von der
Leine gelassen. Doch der Schmerz und die Angst, die er Jenkell im Laufe der Hinrichtung bereitet hatte... Das war nicht für ihn selbst gewesen. Noch nicht einmal für Rainier oder Surreal. Das war für jene unbekannten Menschen gewesen, die zu seinen Schutzbefohlenen geworden waren, als er der Kriegerprinz von Dhemlan wurde.
Er hoffte von ganzem Herzen, es würden Jahrzehnte vergehen, bis er wieder so etwas tun musste.
Da Wasser zwar seinen Körper reinwaschen konnte, nicht aber sein Herz, beendete er die Dusche und tat sein Bestes, um sich geistig auf den nächsten Teil des Abends vorzubereiten.
Jazen erwartete ihn, als er in das Schlafzimmer des Gefährten zurückging.
»Kein Anzug?«, fragte Daemon mit einem Blick auf die Kleidungsstücke, die auf dem Bett ausgebreitet lagen.
»Die Lady war der Ansicht, dein normales Gewand passe am besten zu ihren Plänen für den Abend.«
Mutter der Nacht.
Andererseits war das immer noch besser, als er erwartet hatte.
»Ich brauche dich heute Abend nicht mehr«, sagte Daemon.
»Aber …«
»Geh. Oder du
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